Die Österreichische Nationalbank (OeNB) feiert derzeit das zwanzigjährige Euro-Jubiläum.

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Das Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher dürfte noch ungleicher verteilt sein als bisher angenommen. Darauf deutet eine aktuelle Studie der Österreichischen Nationalbank (OeNB) hin. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt demnach 30 bis 50 Prozent des gesamten Vermögens. Bisherige Studien sprachen von 20 bis 25 Prozent.

Viel genauer lässt sich die Vermögensverteilung in Österreich laut den Studienautorinnen und -autoren um Martin Schürz leider nicht ermitteln, zumindest auf Basis der Daten, die derzeit zur Verfügung stehen. Grund dafür ist, dass Vermögensstatistiken hierzulande anhand von Umfragen erstellt werden. Dabei wird das Vermögen reicher Menschen meist unterschätzt.

Geheime Vermögen

Anstatt sich rein auf die Daten des Household Finance and Consumption Survey (HFCS) der Europäischen Zentralbank zu verlassen, haben die Autorinnen und Autoren den Datenpool für die aktuelle Studie nun um weitere Quellen ergänzt. Darunter etwa österreichische Umfragen, interne Informationen der Nationalbank und Rankings der Magazine "Forbes" und "Trend".

Je nach Gewichtung der Quellen ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse, wobei die Ermittlung des Vermögens reicher Menschen besonders schwierig ist. Bei Vermögensstatistiken sei deshalb stets "Vorsicht" geboten. Schürz und seine Kolleginnen und Kollegen fordern bessere Daten, vor allem bei vermögenden Menschen.

Fehlende Daten

"Über weniger vermögende Menschen weiß man recht viel, über reiche wenig bis gar nichts", sagt Emanuel List, Experte für Vermögensverteilung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Das habe unterschiedliche Gründe, liege aber vor allem daran, dass einige wenige Menschen besonders viel besitzen.

"Wenn ich eine Umfrage mache, ist die Wahrscheinlichkeit, dass besonders reiche Menschen in der Stichprobe sind, sehr gering", erklärt List im Gespräch mit dem STANDARD. Gerade diese besonders reichen Menschen seien für die Berechnung jedoch entscheidend. Dazu komme, dass Vermögende bei Umfragen gerne untertreiben.

Verstärkung durch Pandemie

Laut List dürfte sich die ungleiche Vermögensverteilung durch die Pandemie weiter verstärkt haben. Auch hier fehlen Daten, man könne aus anderen Ländern wie Frankreich oder den USA aber gewisse Trends ableiten. Ein Grund dafür sei, dass Aktienkurse zuletzt stark gestiegen sind. Davon profitierten tendenziell eher vermögende Menschen.

Um die Datengrundlage zu verbessern, wünscht sich List offizielle Vermögensregister, wie sie etwa in skandinavischen Ländern oder in Frankreich üblich sind. Dort gebe es gute Statistiken, die ein klares Bild der Vermögensverteilung zeichnen. Auch in Österreich habe es bis zur Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1993 ähnliche Aufzeichnungen gegeben.

Diskussion um Register

Vermögensregister würden für mehr Transparenz sorgen und eine wissenschaftliche Basis für politische Entscheidungen schaffen, sagt List. Ohne Datengrundlage sei etwa eine ordentliche Debatte um mögliche Vermögens- oder Erbschaftssteuern nicht möglich, wie auch Schürz in seiner aktuellen Studie für die Nationalbank andeutet.

Vermögensregister werden derzeit vor allem auf EU-Ebene heiß diskutiert. Im Sommer veröffentlichte die Europäische Kommission auf Antrag des EU-Parlaments eine Ausschreibung für eine "Machbarkeitsstudie für ein europäisches Vermögensregister".

Laut dem Parlament sollen Behörden grenzüberschreitend auf Informationen zugreifen können. Ziel sei mehr Transparenz im Kampf gegen Finanzkriminalität, Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Die Folge des Vorschlags waren breite Proteste von Kritikerinnen und Kritikern, die Bedenken wegen Datenschutz und Privatsphäre äußerten. (Jakob Pflügl, 31.1.2022)