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Angeblich genügt oft ein Windhauch: Zack!, und schon ist man infiziert, auch als Dreifach-Geimpfter. Zack!, und schon steht man auf der No-Go-Liste – gefolgt von Job-Absagen, mühsamen "K1 an K2"-Telefonaten und Isolation. Ja, die Omikron-Meldungen häufen sich, auch im eigenen Umfeld.

Das will man sich natürlich ersparen; es gibt verwundbare Angehörige, Geld verdienen sollte man auch. Andererseits: Muss man nicht endlich wieder leben? Kultur und Augenkontakt, große Gefühle, unvernünftiger Sex. Wenn es nur irgendwie geht, dann will man jetzt endlich wieder analog.

Spaß oder Sicherheit?

Hört man sich im Bekanntenkreis um, dann führt das leidige Dilemma zu den interessantesten Entscheidungen: Da gibt es den Kollegen K, der es ablehnt, ins Kino zu gehen ("Viel zu gefährlich! Womöglich isst da noch einer Popcorn"). Gleichzeitig ersteigert er im Internet seltene Keramikobjekte – mehrmals die Woche ist er bereit, auf seine Vespa zu springen und in Schwechat oder Floridsdorf vorstellig zu werden ("Da lacht dich dann eine Impfgegnerin ohne Maske an, und es ist dir kurzfristig egal. Weil, echt schönes Einzelstück").

Freund S trägt im Supermarkt Doppelmaske, hängt danach aber stundenlang vor dem Marktstand des süßen Blumenverkäufers Marko ab, die Lippen zum Kussmund gespitzt ("Seine Augen wirken auf mich wie Magnete").

Am inkonsequentesten treibt es derzeit Freundin N: Sie kreischt vor Angst, wenn ihr am Wiener Graben zu viele Menschen entgegenkommen. Sagt jedes Treffen im Kaffeehaus ab. Trotzdem schläft sie seit kurzem mit einem fahrenden Musiker ("Er ist zwar geimpft, spielt aber mit seiner Band täglich in einer anderen Stadt. In Summe hat man da wahrscheinlich tausend Kontakte, aber das ist mir in dem Fall egal"). Zur Erholung von der Affäre nimmt sie Qi-Gong-Stunden, keucht, während sie den "Kranich" macht, in der Gruppe.

Natürliche Auslese

"Man muss wissen, wofür es sich lohnt." Das scheint jetzt die Devise vieler Menschen zu sein. Wer nach zwei Jahren Pandemie psychisch noch halbwegs stabil ist, der sieht auch die Vorteile: Abendessen mit langweiligen Freunden? Sicher nicht. Lästige Verwandte bespaßen? Leider unmöglich. Es fühlt sich besser an, wenn man für die richtige Sache Roulette spielt. Oder wie es Kollege K. ausdrückt: "Ein Mid-Century-Design-Omikron ist etwas anderes als ein Möbelix-Omikron." (Ela Angerer, RONDO, 6.2.2022)