Sucht ganz eigene Wege durchs Repertoire: Víkingur Ólafsson.

Foto: Konzerthaus

Wien – Víkingur Ólafsson, in Reykjavík geboren, in New York ausgebildet, wirkt mit schwarzer Brille und korrektem Seitenscheitel wie der ewige Hipster unter den Pianisten. Seine Programmideen suchen das überraschende Element, das Zusammenhänge erhellt. Im Vorjahr veröffentlichte er etwa ein Mozart-Album, auf dem er dem Salzburger u. a. Werke von Cimarosa, C. P. E. Bach und Haydn entgegensetzte.

Im Konzerthaus erscheint der Isländer am Sonntag – in der Klassik eher unüblich – mit einem Mikro in der Hand und erzählt von Mythen und Klischees, die Mozart umgeben und ihn als Kind geprägt haben. Mozart, das verspielte Wunderkind, der geniale Spaßvogel, der frivole Witze reißt. Klar: Um den eigenen Zugang neu zu kalibrieren, hat sich Ólafsson mit Amadeus’ späten Jahren auseinandergesetzt.

Geheimnisvolle Atmosphäre

"In dieser Zeit hat er nicht nur die klassische Tradition perfektioniert, sondern sie auch subtil unterwandert", so Ólafsson: Die Schatten würden dunkler, die Nuancen und die Ambiguitäten tiefer. Von geheimnisvoller Atmosphäre ist denn auch Mozarts unvollendete Fantasie in d-Moll, die der Pianist wie in Zeitlupe spielt und bei der er jeden Ton auskostet, als wäre es der letzte. Haydns h-Moll-Sonate lässt er dann eher scharfe Kontraste angedeihen.

Es sind Ólafssons kluge Dramaturgie, sein hinreißender Anschlag, der improvisatorische Geist und die kühnen Kontraste, die den Abend zur Besonderheit machen. Packend etwa die Gegenüberstellung von Mozarts vermeintlicher "Facile"-Sonate (leicht und klar gestaltet) mit der dramatischen c-Moll-Sonate, KV 457, die Beethoven zu seiner Pathétique inspirierte.

Wunderbar auch das verinnerlichte g-Moll-Adagio aus Mozarts Streichquintett KV 516, das Ólafsson selbst bearbeitet hat. Den Abschluss bildet Liszts Bearbeitung von Mozarts Ave verum corpus: Ólafsson zelebriert sie als intime Andacht. Weil das Publikum nicht aufhören will, zu klatschen, obwohl die Sperrstunde naht, gibt es als Draufgabe Vater Bachs 4. Orgelsonate. (Miriam Damev, 1.2.2022)