In der Gallitzinstraße (oben) werden 200 Wohnungen auf dem Areal einer Friedhofsgärtnerei gebaut.

Foto: Putschögl

Viel Asphalt sorgt mancherorts für Unmut, etwa in der Seestadt.

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"Am Park" (ehemals Siemensäcker) fehlt die Nahversorgung, ...

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... im Gebiet Raffenstättergasse wäre sie mit dem Gewerbepark Stadlau im Übermaß vorhanden – doch die Bahngleise liegen dazwischen.

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Einmal waren die Bagger schon da und haben Glashäuser abgerissen. Wenn sie wiederkommen, wird es so richtig losgehen in der Gallitzinstraße 8–16 in Ottakring. Dann werden auf dem ehemaligen Areal einer Friedhofsgärtnerei rund 200 Wohnungen in acht Baukörpern entstehen, davon fünf mit Bauklasse III (bis 16 Meter).

Seit fast sechs Jahren wehren sich Anrainerinnen und Anrainer mit ihrer Bürgerinitiative Pro Wilhelminenberg 2030 nun aber schon gegen das aus ihrer Sicht überdimensionierte, nicht nachhaltige und "durchgepeitschte" Bauprojekt in ihrer Umgebung. Mittlerweile wurden die Grundstücke an die Bauträger Arwag, Süba und Breiteneder verkauft und 2019 von "Grünland/Landwirtschaftliches Gebiet" in Bauland umgewidmet. Es fehlen noch die Baubescheide, die von Anrainern beeinsprucht wurden.

Doch wie sinnvoll ist ein Projekt tatsächlich noch, das einerseits dem schon vorhandenen Überangebot an teuren Wohnungen noch eins draufsetzen wird (dazu später mehr) und andererseits mit den erst kürzlich präsentierten Klimaschutzzielen der Stadt nicht wirklich korreliert? Boden wird versiegelt, und aus Mangel an guter öffentlicher Anbindung werden viele der künftigen Bewohnerinnen und Bewohner wohl mit dem Auto unterwegs sein. Eine Tiefgarage wird jedenfalls gebaut.

Qualitätsbeirat eingesetzt

"Dieses Stadtentwicklungsprojekt wurde zu einer Zeit geplant, als das Bewusstsein für die Bedeutung von Klimawandelanpassungsmaßnahmen und klimasensibler Stadtentwicklung bei der Stadt Wien noch nicht vorhanden war", sagt Alexandra Dörfler, Mitglied der Bürgerinitiative. Sie fordert einen Baustopp samt Klimacheck und eine Redimensionierung des Projekts. Der dafür erhoffte Vier-Parteien-Antrag im Gemeinderat dürfte aber wohl nicht zustande kommen: Die Neos, die beim rot-grünen Beschluss der Widmung 2019 nicht mitgestimmt hatten, haben schon klargemacht, dass "Planungs- und Rechtssicherheit zu gewährleisten sind", wie Wohnbausprecherin Selma Arapović dem STANDARD sagt.

Dass die Qualität des Wiener Städtebaus besser werden muss, meint man aber auch bei der Stadt Wien. Auf Betreiben der Neos hat Rot-Pink im Herbst einen Qualitätsbeirat ins Leben gerufen, der "in Zukunft bei großen ausgewählten Stadtentwicklungsgebieten für eine abgestimmte Quartiersentwicklung zwischen geförderten und freifinanzierten Bauvorhaben sorgen soll", wie es heißt. Der beim Wohnfonds angesiedelte Beirat soll nun – jedenfalls vorerst bei einem Pilotprojekt, dem Stadtentwicklungsgebiet Meischlgasse im 23. Bezirk – "ganzheitlich denken" und dabei städtebauliche, freiräumliche, soziale und ökologische Gesichtspunkte "allumfassend betrachten".

Für die Anrainerinnen und Anrainer in der Gallitzinstraße kommt das alles aber zu spät. Der Qualitätsbeirat werde nur bei neuen Projekten, wo es noch keine Widmung und noch keinen städtebaulichen Vertrag gibt, beigezogen, heißt es vom Wohnfonds.

Einen städtebaulichen Vertrag gibt es aber auch in Ottakring. Die Stadt kann solche privatrechtlichen Verträge mit Bauwerbern seit 2015 abschließen, rund 50 davon gibt es bereits. Mit einer einzigen Ausnahme wurde kein Vertrag veröffentlicht. Die Neos würden das gerne ändern, konkret im Zuge einer anstehenden Bauordnungsnovelle.

Teure Wohnungen

Was über den städtebaulichen Vertrag zur Gallitzinstraße bekannt ist: Ein Kindergarten muss kommen, und die Hälfte der Wohnungen muss gefördert errichtet werden. Diesen Anteil wird Bauträger Arwag errichten, 91 Einheiten, davon wiederum die Hälfte mit sehr kompakten Grundrissen ("smart"). Der freifinanzierte Anteil von Süba und Breiteneder sollte aber einerseits 108 Wohneinheiten umfassen – also eigentlich mehr als die Hälfte. Andererseits wurden hier kürzlich die Karten ganz neu gemischt: Beide Bauträger stiegen überraschend aus dem Projekt aus, sie verkauften ihre Baulose um 10,25 bzw. 14,35 Millionen Euro jeweils an ein Tiroler Immobilienunternehmen. Dieser Handel mit Bauprojekten ist ein Grundübel, weil er die Preise künstlich nach oben treibt; bei überschlagsmäßig gerechneten rund 200.000 Euro an Grundkostenanteil je Wohneinheit kann man sich ausrechnen, dass der freifinanzierte Anteil in der Gallitzinstraße kein leistbares Wohnen wird. Und das wird unter Umständen auch die Frage aufwerfen, warum hier wertvoller Boden für Leerstand versiegelt wird.

Viel an versiegelter Fläche sorgt aber auch anderswo für großen Unmut, etwa im Wildgarten in Meidling oder in der Seestadt Aspern, wo die Asphaltierung des Seeparkquartiers viele ratlos zurückließ. Dort hat sich ein Verein formiert, um nachträglich zu begrünen.

Auch die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist bei manchen Gebieten alles andere als optimal, etwa im erwähnten Wildgarten, im Gebiet Neu-Leopoldau oder bei den nun "Am Park" genannten Siemensäckern in Floridsdorf. Mancherorts kommt auch die Nahversorgung nicht so richtig in die Gänge, Geschäftslokale stehen leer.

Unüberwindbare Hürden

In einem weiteren Entwicklungsgebiet in der Donaustadt ist es gewissermaßen umgekehrt. Dort entstehen gerade hunderte Wohneinheiten, von denen der Gewerbepark Stadlau mit seinen dutzenden Geschäften nur einen Steinwurf entfernt ist; allerdings genau auf der anderen Seite der ÖBB-Gleise. Wer zu Fuß oder per Rad hinüberwill, muss den weiten Umweg zur Hirschstettner Straße gehen oder fahren, durch die lärm- und abgasgeplagte Unterführung und dann die gleiche Strecke wieder zurück. Alternativ ist ein ebenso langer Fußmarsch zur Station Forstnergasse der Straßenbahnlinie 26 möglich, von dort ist es eine Station zum Gewerbepark. Dazu braucht es natürlich ein Wiener-Linien-Ticket.

Für das Gebiet fand 2013/14 ein kooperatives Planungsverfahren mit Anrainern statt. Eine Unterführung direkt bei der Straßenbahntrasse (auf der tatsächlich nur die Straßenbahn verkehrt) wurde damals als "sehr wünschenswert" erkannt, berichtet Robert Korab, der das Verfahren leitete. Eine solche Unterführung wäre wohl ein starker Anreiz zum Zufußgehen oder Radfahren, die vielzitierte 15-Minuten-Stadt wäre hier buchstäblich in Reichweite. Bisher kam es aber nicht dazu, obwohl es auch für die Raffenstättergasse einen städtebaulichen Vertrag gibt. Auch der ist nicht öffentlich.

Braucht es die Stadtstraße?

Wenigstens könnte man es ganz in der Nähe, auf der anderen Seite des Gewerbeparks, besser machen: Dort befindet sich das Entwicklungsgebiet Süßenbrunner Straße Nord – vom Gewerbepark nur durch die Südosttangente getrennt. Es ist eines jener Entwicklungsgebiete, für die es laut Wiener SPÖ die Stadtstraße braucht, um 60.000 leistbare Wohnungen zu schaffen. Man darf gespannt sein, wie man den Autoverkehr dort im Zaum halten will. Der neue Qualitätsbeirat wird bei der Süßenbrunner Straße, wo es noch keine Widmung gibt, jedenfalls von Anfang an eingebunden. (Martin Putschögl, 1.2.2022)