Am Tag nach dem Meisterstück ...

Foto: imago images/PanoramiC

... konnte sich der Rekordler Rafael Nadal ...

... schon wieder entspannen.

Foto: imago images/ZUMA Wire

Jürgen Melzer hat Nadal die Daumen gedrückt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wäre der 40-jährige Jürgen Melzer nicht in Quarantäne gewesen, hätte sich der Geimpfte das Finale der Australian Open trotzdem angeschaut. Vom ersten bis zum letzten Ballwechsel. Aufgrund von Omikron war der praktisch symptomfreie Sportvorstand und Daviscup-Kapitän des österreichischen Tennisverbands am Sonntag ungestört. Mit seinem Bruder Gerald hat er gechattet. "Das war lustig, wir waren beide fassungslos." Nach knapp fünfeinhalb Stunden hatte dann der 35-jährige Rafael Nadal den ersten Matchball gegen Daniil Medwedew verwandelt – Endstand: 2:6, 6:7, 6:4, 6:4, 7:5. Melzer sagte zu sich selbst und am Tag danach dem STANDARD: "Wahnsinn. Man kann nur den Hut ziehen. Als es 0:2 in Sätzen stand, habe ich Nadal fünf Prozent auf den Sieg gegeben." Mitunter irren Fachleute. "Wobei ich schon wusste, dass man ihn nie abschreiben darf."

Der Spanier sei eine Legende, ein großartiger Sportler. "Eine unfassbare Karriere." 2005 hat er in Paris sein erstes Grand-Slam-Turnier gewonnen, 17 Jahre später hält er bei 21 Stück. Melzer geht davon aus, "dass es 22 oder 23 werden".

Nadal hat die anderen beiden Größen, Roger Federer und Novak Djokovic, leicht abgehängt, sie halten bei je 20. Federer wird wohl für immer und ewig hinter Nadal bleiben, der 40-jährige Schweizer könnte heuer in Wimbledon ein letztes Mal aufschlagen. Dem Serben Djokovic (34) ist noch einiges zuzutrauen, sofern er sich impfen lässt und seine Verhaltensauffälligkeit einschränkt.

Übers Limit

Melzer hat gegen alle drei einmal gewonnen, gegen Nadal und Djokovic je dreimal verloren, gegen Federer viermal. "Die Matches gegen Nadal sind immer speziell gewesen. Der hat dir keine Punkte geschenkt, du musstest bei jedem Ballwechsel übers Limit gehen. Bei Federer, Djokovic und auch bei Andy Murray hatte man ab und zu freie Punkte, da konnte man durchatmen." Was überhaupt nicht lustig ist: "Gegen Rafa auf Sand spielen."

Die letzte Begegnung mit Nadal fand 2010 beim Masters in Schanghai statt, Melzer gewann sie. "Der Mensch Nadal fasziniert. Immer respektvoll, freundlich." Als Spieler sei er, no na, außergewöhnlich. "Er findet immer Wege und Lösungen, lässt nie locker. Das hat er gegen Medwedew einmal mehr bewiesen. Reichst du ihm den Finger, nimmt er die ganze Hand."

Melzer möchte sich auf das Spielchen, wer denn der Größte im Tennis sei, nicht einlassen. "Diese GOAT-Diskussion brauche ich nicht. Nadal hat jedenfalls die meisten Siege. Diese Zeitspanne ist einfach nur verrückt und großartig. Wie er Rückschläge und schwere Verletzungen wegsteckt, ist ebenfalls einmalig."

Nadal selbst hält die GOAT-Frage übrigens auch nicht für epochal. Melzer: "Er sagt immer nur, wie stolz er ist, ein Teil dieser Rivalität zu sein, sein zu dürfen. Djokovic hingegen posaunt immer raus, dass er der Beste sein und den Rekord haben will."

Immer liebenswert

Nadal und Federer repräsentierten den "Weltsport Tennis" am besten. "Weil sie sich benehmen, keine Skandale liefern, Vorbilder sind, überall Fans haben." Natürlich mussten sie sich die globale Zuneigung hart erarbeiten. "Aber sie verstellten sich nie. Nadal war mit 18 genauso liebenswert und respektvoll wie mit 35." Der Russe Medwedew dürfte, sagt Melzer, nicht am Publikum in Melbourne, das Nadal extrem und laut zugetan war, gescheitert sein. "Er verlor gegen Nadal, weil er letztendlich keine Lösungen gefunden hat."

Zu wem Jürgen Melzer gehalten hat? "Natürlich zu Nadal. Obwohl man objektiv sein soll." (Christian Hackl, 31.1.2022)