Umstritten war das Projekt Nord Stream 2 schon lange vor dem Ukraine-Konflikt. Nun könnte die Pipeline zum Druckmittel werden.

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Wien – Die Lage im Ukraine-Konflikt spitzt sich immer weiter zu, Einschätzungen der USA zufolge hat Russland nun schon genügend Soldaten für einen Angriff positioniert. Resultierend aus den russischen Drohgebärden rückt auch die immer schon umstrittene Erdgaspipeline Nord Stream 2 in den Mittelpunkt.

Neben möglichen Sanktionen rund um das internationale Zahlungssystem Swift, Einreiseverbote oder den Finanzsektor kam am Wochenende eine mögliche Blockade der am Boden der Ostsee verlaufenden Röhre in die Debatte. Auch wenn dadurch noch kein Gas fließt und das noch länger nicht passieren wird. Die Ostseepipeline verbindet Russland mit Deutschland und Österreich, damit sollen die russischen Gaslieferungen nach Mitteleuropa deutlich erhöht werden.

Uneinigkeit

In der türkis-grünen Bundesregierung herrscht jedenfalls Uneinigkeit. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte am Sonntagabend, Drohungen gegen Russland müssten glaubhaft sein. Dementsprechend müsse auch eine Blockade der Pipeline Teil des Drohungsszenarios sein. Man sei auch bisher ohne die Pipeline ausgekommen. Auf lange Sicht müsse man jedoch aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern rauskommen. Österreich importiert etwa 80 Prozent seines Erdgases aus Russland.

Ähnlich sieht das die außenpolitische Sprecherin der Grünen Ewa Ernst-Dziedzic. Sie bezeichnete ein mögliches Aus der Pipeline, an deren Finanzierung auch die OMV beteiligt ist, als "eines der wichtigsten Faustpfänder, die Europa gegenüber Putin hat". Ziel sei es, Russland dazu zu bewegen, gemeinsam mit dem Westen nach einer friedlichen Lösung des Konflikts zu suchen.

Frage des Betriebs

Beim Koalitionspartner ist man sich nicht ganz einig. So sieht der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), die Pipeline "schon immer als Teil der Drohgebärde für das Europäische Parlament". Ebenso will Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Pipeline in den Sanktionskatalog aufnehmen. Das Außenministerium hielt dagegen Ende vergangener Woche an seiner bisherigen Linie fest. Nord Stream 2 sei noch nicht einmal in Betrieb und daher "nicht wirklich eine Drohkulisse" unter Verweis auf die gleichlautenden Äußerungen von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP).

Verteidigungsminister Klaudia Tanner (ÖVP) schloss sich dem Außenministerium an. In den Aussagen Sobotkas sah sie "nicht wirklich einen Widerspruch" dazu. Dass die Pipeline noch nicht in Betrieb sei, kam auf ÖVP-Seite immer wieder als Begründung.

Kosten und Aussicht

Wie sieht der Status quo aus? Es ist bereits sehr viel Geld im Rahmen des Projekts geflossen. Rund 9,5 Milliarden Euro kostete die Pipeline bisher, die Hälfte davon finanzierten westliche Konzerne wie die OMV oder Shell. Die OMV steuerte 729 Millionen Euro bei. Aktuell mangelt es allerdings noch an einer Genehmigung, und es wird auch noch dauern, bis diese durch ist. Zwar wurde kürzlich eine deutsche Tochtergesellschaft der Nord Stream 2 AG, die zu Gazprom gehört, gegründet. Das ist Voraussetzung, um überhaupt einen Zertifizierungsprozess starten zu können. Außerdem braucht es eine Genehmigung der EU-Kommission.

Bei der deutschen Bundesnetzagentur heißt es, dass der "Abschluss der noch ausstehenden Prüfungen im ersten Halbjahr kaum mehr möglich sein wird". Sie hat das Verfahren ausgesetzt und wartet weiter darauf, dass Nord Stream 2 alle erforderlichen Unterlagen einreicht. Sollten die Russen im Prüfverfahren der Regulierungsbehörde scheitern, bleibt immer noch der Gerichtsweg. Das könnte sich alles sehr lange ziehen. (and, 31.1.2021)