Ab Juli fällt in Österreich eine CO2-Steuer von 30 Euro je Tonne an. Der Preispfad sollte für einen Lenkungseffekt sorgen und das Land in Richtung Klimaneutralität führen. Doch die Maßnahme wurde mittlerweile von der Realität eingeholt: Die Energiepreise schießen ganz ohne staatliches Zutun in die Höhe. Im Dezember lagen die Gaspreise im Jahresvergleich um knapp 28 Prozent über dem Vorjahr, die Strompreise waren mehr als zwölf Prozent höher. Ein Effekt, den die CO2-Bepreisung erst in sehr ferner Zukunft gehabt hätte.

Um den Preissteigerungen entgegenzuwirken, hat die Regierung nun gleich mehrfach für Entlastung gesorgt. Das ist einmal der Klimabonus, der anhand des Wohnortes berechnet wird und allen Haushalten im Gegenzug für den CO2-Preis zugutekommt. Laut einer Analyse des Forschungsinstituts Wifo wird der Bonus bis inklusive 2023 Haushalte mehr entlasten, als dass die CO2-Bepreisung durchschlägt.

Die steigenden Energiepreise sind vor allem für einkommensschwache Haushalte ein Problem.
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Darüber hinaus wurden Ökostrompauschale und -förderbeitrag für das heurige Jahr ausgesetzt. Das bedeutet für Haushalte eine durchschnittliche Erleichterung von 100 Euro. Vergangene Woche legte Türkis-Grün ein weiteres Mal nach: Für viele Haushalte gibt es den einmaligen Energiebonus von 150 Euro, besonders Bedürftige bekommen zusätzlich 300 Euro Teuerungsausgleich. Diese Maßnahmen sollen um die 800 Millionen kosten. Lediglich Bezieher sehr hoher Einkommen ab 5670 Euro sind ausgenommen.

Kritik am Gießkannenprinzip

Ist es sinnvoll, in der Energiepolitik die Gießkanne so stark auszupacken? Was sagen Expertinnen und Experten? Der Klimaökonom Stefan Schleicher vom Wegener Center kritisiert die pauschalen Entlastungen für nahezu alle: Er hätte sich mit jenen "doch sehr beachtlichen Beträgen" zielorientiertere Maßnahmen gewünscht. Klar sei, dass man die Allerärmsten mit Cash versehen müsse. "Also jene, die wirklich das Problem haben, ob sie sich noch mehr als 16 Grad in der Wohnung leisten können." Für alle anderen würde Schleicher ein Programm aufsetzen, das jene belohnt, die Energie möglichst effizient verwenden und einsparen. Möglich wäre das aus seiner Sicht etwa über das Energieeffizienzgesetz mit einem ausreichend dotierten Fonds. Über diesen könnten nachgewiesene Verbrauchsreduktionen mit einem Bonus belohnt werden. "Das hätte auch längerfristige Wirkungen als die Einmal-Almosen."

Dem CO2-Preis selbst dürfe man aus Sicht des Experten jedenfalls keinen Lenkungseffekt mehr zuschreiben. "Man wird nicht zwischen der täglichen Fluktuation und dem Effekt der CO2-Bepreisung unterscheiden können."

Überraschend kommt der starke Energiepreisanstieg aus Sicht des Ökonomen jedenfalls nicht – vor allem nicht bei Öl und Gas. Man wolle in Österreich nicht wahrhaben, dass eine viel größere Diversifikation am Energiemarkt notwendig wäre, sagt Schleicher.

Investitionsprojekte wären sinnvoller

Seine Kollegin, Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller, sagt ebenfalls, dass es "hinterfragenswert ist, ob man diesen sehr breiten Zuschuss für fast alle braucht und es nicht vernünftiger gewesen wäre, stärker in einen Umstieg aus fossilen Brennstoffen zu investieren". Und ihre Kollegin, die Ökonomin Daniela Kletzan-Slamanig, sagt, dass auch sie Investitionsprojekte prinzipiell für sinnvoller erachte. Aber bis solche Ausgaben Wirkung zeigen und Heizkessel getauscht sind, dauere es. Das würden Menschen nicht sofort spüren.

Gegenargument: Wenn Haushalte jetzt etwas mehr zahlen, dafür aber zum Beispiel im kommenden Jahr beim Kesseltausch entlastet werden, gleicht sich das aus. Die Regierung investiert auch schon in Programme, für Kesseltausch stehen 2021 und 2022 gut 400 Millionen Euro zur Verfügung. Hier dürfte wohl noch Luft nach oben sein.

Die steigenden Preise für Heizen und Co treffen Haushalte sehr unterschiedlich.
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Dazu kommt, dass der Anstieg der Energiepreise nicht alle Haushalte gleich trifft. So gibt laut einer Wifo-Analyse das Fünftel der einkommensstärksten Haushalte nur 2,2 Prozent seines Einkommens für Energie aus. Beim ärmsten Fünftel sind es mit 7,8 Prozent deutlich mehr. Im Schnitt waren es 2019 pro Monat Energieausgaben von 134 Euro. Der Gaspreisanstieg hat sich erst in den vergangenen Monaten wirklich dramatisch beschleunigt. Übers Jahr 2021 gerechnet haben Haushalte laut Zahlen der Statistik Austria für Gas zum Beispiel nur moderate 7,8 Prozent mehr ausgegeben. Bei Heizöl waren es 21 Prozent mehr, doch die Ölpreise sind 2020 etwa ebenso stark eingebrochen.

Viel Geld zum Verteilen

Bleibt die Kostenfrage. Geld zum Verteilen scheint ausreichend da: Das vom Coronavirus gerissene Budgetloch war 2021 geringer als befürchtet. Der Nettofinanzierungssaldo lag mit minus 18 Milliarden Euro um rund 4,5 Milliarden besser als im ersten Corona-Jahr 2020, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Montag. 104 Milliarden Euro an Auszahlungen standen 86 Milliarden an Einnahmen gegenüber, das ist ein Plus von 7,9 Milliarden oder 8,2 Prozent. Der Großteil davon ist auf höhere Auszahlungen für Covid-Hilfen zurückzuführen (rund 4,5 Milliarden Euro mehr). Die Auszahlungen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds stiegen um 6,6 Mrd. Euro. Demgegenüber kam es bei der Kurzarbeit aufgrund der besseren Wirtschaftslage zu einer "Minderauszahlung" von 1,8 Milliarden.

Lockdown vermeiden ist denn auch das Motto des Finanzministers. Der vierte Lockdown hat ungefähr drei Milliarden Euro gekostet, rechnete Wifo-Chef Gabriel Felbermayr vor. Das ist zwar weniger als bisherige Lockdowns kosteten, aber immer noch 350 Euro pro Österreicher (vom Baby bis zum Pensionisten). Das konjunkturelle Minus fiel 2021 glimpflicher aus, die Wirtschaft schrumpfte nicht um vier Prozent sondern um zwei Prozent, das entspricht 2,3 Milliarden Euro. Im ersten Quartal wird das Wirtschaftswachstum laut Schnellschätzung auf 5,2 Prozent taxiert. 4,8 Prozent wären aber auch okay, sagte Felbermayr.

Förderung fossiler Brennstoffe behindert Klimawende

Das Energiethema beschäftigt auch den EU-Rechnungshof. Laut diesem behindern Steuervorteile und Subventionen für fossile Brennstoffe die Klimawende in der Europäischen Union. Teils werden verschmutzende Energien wie Kohle in der EU niedriger besteuert als klimaeffiziente Alternativen, wie aus einer am Montag veröffentlichten Analyse des Rechnungshofes hervorgeht. Über die Hälfte der EU-Länder subventioniere fossile Energien stärker als erneuerbare, so die Analyse der Rechnungsprüfer.

Insgesamt würden die Mitgliedstaaten über 55 Milliarden Euro pro Jahr für Subventionen fossiler Brennstoffe ausgeben – trotz Verpflichtungen, diese auslaufen zu lassen. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse daher nachjustiert werden. Je niedriger die Steuern und je höher die staatlichen Subventionen für eine Energiequelle sind, desto günstiger wird sie letztendlich für Verbraucher. Niedrige Steuersätze und staatliche Gelder schaffen also einen Anreiz, bestimme Energien stärker zu nutzen.

Die Rechnungsprüfer befanden, dass unter gegenwärtigem EU-Recht verschmutzende Energiequellen günstiger besteuert werden können als klimaeffiziente Energiequellen. So gebe es teils niedrigere Steuern für Kohle als für Gas, obwohl letzteres weniger klimaschädliches Kohlendioxid ausstoße. Gleichzeitig subventionierten 15 EU-Länder fossile Brennstoffe stärker als erneuerbare Energien. (Nora Laufer, András Szigetvari, Luise Ungerboeck, APA, 1.2.2022)