Der Siltronic-Standort in Burghausen.

Foto: Siltronic

Der milliardenschwere Verkauf des deutschen Chipzulieferers Siltronic nach Taiwan steht offenbar aus politischen Gründen vor dem Aus. Gespräche zwischen Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp und der Vorstandschefin des taiwanesischen Wafer-Herstellers GlobalWafers, Doris Hsu, blieben ohne Ergebnis, wie drei Insider sagten. Zuvor hatte wochenlang Funkstille geherrscht.

Das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) könnte die 4,35 Milliarden Euro schwere Übernahme durch Globalwafers torpedieren, indem es die in der Nacht zum Dienstag ablaufende Frist für die Freigabe nach dem Außenwirtschaftsgesetz einfach verstreichen lässt. Es wäre die mit Abstand größte Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen, die eine deutsche Regierung an dem Gesetz scheitern lassen könnte.

An der Börse wird längst mit einem Scheitern gerechnet. Die Siltronic-Aktie lag am Montag mit 115,90 Euro um rund ein Fünftel unter dem Angebot von GlobalWafers von 145 Euro.

Prüfung läuft noch

Eine Sprecherin des deutschen Wirtschaftsministeriums sagte am Montag, die Prüfung dauere noch an. Nach den Übernahmeregularien muss die Freigabe bis 31. Jänner vorliegen, die Frist nach dem Außenwirtschaftsgesetz reicht bis Ende Februar. Nach dem Gesetz kann die Berliner Regierung den Verkauf deutscher Unternehmen nach außerhalb der EU verbieten, wenn sie "Schlüsseltechnologien" gefährdet sieht. Dazu zählt sie auch die Chipindustrie, an die Waferhersteller die Siliziumscheiben liefern, auf denen die Halbleiter produziert werden.

Der Chipnotstand in der Coronapandemie hatte gezeigt, wie abhängig Europa von asiatischen Anbietern ist. Siltronic ist unter den fünf größten Siliziumscheiben-Herstellern der einzige aus Europa.

Großaktionäre für Übernahme

GlobalWafers hatte sich bereits vor fast einem Jahr gut 70 Prozent an Siltronic gesichert und wollte mit der Übernahme zum Weltmarktführer Shin-Etsu Chemical aus Japan aufschließen. Der Konzern aus Taiwan verweist darauf, mehr Wafer an europäische Kunden zu liefern als Siltronic. Der Konzern aus München produziert in Deutschland im bayerischen Burghausen sowie im sächsischen Freiberg, haben ihre größten Produktionsanlagen aber inzwischen in Singapur. Siltronic-Großaktionär Wacker, dem bei einem Scheitern 1,2 Milliarden Euro entgehen würden, hatte für die Übernahme geworben: Der Zusammenschluss (...) "bindet die führende Halbleiternation an Europa, statt sie zu entfremden", sagte Vorstandschef Christian Hartel. Ein Nein aus Berlin "wäre das ein falsches Signal an unsere internationalen Partner und Investoren".

Deutschland hatte das Außenwirtschaftsrecht schon vor dem Regierungswechsel verschärft. Habecks Vorgänger Peter Altmaier zögerte eine Entscheidung zu Siltronic monatelang hinaus. "Es wäre kein neuer Kurs, den Habeck da einschlägt", sagte ein Experte für Außenwirtschaftsrecht. Der Kurs sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten derzeit mit Milliardenbeträgen versuchten, Schlüsseltechnologien zu halten. "Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, unseren Bedarf an Mikroelektronik selbst zu decken, und Produktion wieder stärker nach Deutschland und Europa holen", hatte Habeck dem "Handelsblatt" im Dezember gesagt.

EU-Kommission arbeitet an "Chips Act"

Die EU-Kommission will im Februar ihren "Chips Act" vorlegen und die Branche mit zweistelligen Milliardensummen fördern. "Es würde nicht in die Zeit passen, etwas aus dem Halbleiterbereich nach Asien zu verkaufen", sagt der Experte. Um ihn zu verbieten, muss nach der Außenwirtschaftsverordnung eine "voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" vorliegen. Im Einzelfall sei zwischen unternehmerischen und sicherheitspolitischen Belangen abzuwägen, heißt es in der Verordnung. Indem sie die Frist verstreichen ließe, könnte die deutsche Regierung der Frage ausweichen, inwiefern ein Verkauf von Siltronic die öffentliche Sicherheit gefährde.

Die Investitionspläne ausländischer Investoren landen immer häufiger auf dem Tisch des Wirtschaftsministeriums. Von 2018 bis 2020 hat sich die Zahl der Prüfungen in etwa verdoppelt. Eine Untersagung ist aber die absolute Ausnahme. Meistens würden Anträge zurückgezogen, wenn eine Genehmigung absehbar ausbleibe, sagte ein Außenwirtschaftsexperte. Auch Auflagen sind denkbar – bei Siltronic ließ sich die Regierung aber laut GlobalWafers auf weitreichende Zugeständnisse nicht ein. Untersagt worden waren zuletzt unter anderem der Verkauf des Funksysteme-Anbieters IMST aus Kamp-Lintfort an die chinesische Addsino und der geplante Einstieg des staatlichen chinesischen Versorgers State Grid beim Stromnetzbetreiber 50Hertz. (APA, 31.1.22)