Die Polizei ermittelt.

Foto: APA/dpa/Sebastian Gollnow

Im Fall der tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz steht nun ein mutmaßliches Motiv fest. Wie die Staatsanwaltschaft in einer Pressekonferenz bekanntgab, gehe man von Wilderei als Hintergrund der Tötungen aus. Gegen die beiden 32 und 38 Jahre alten Verdächtigen erging Haftbefehl wegen Mordes, zudem würden sich beide nun in Untersuchungshaft befinden.

Die beiden Tatverdächtigen sollen als Wilderer in die Polizeikontrolle geraten sein. Wie genau die Beamten auf die beiden aufmerksam wurden, ist unklar. In dem Laderaum ihres Kastenwagens hätten sich zahlreiche getötete Wildtiere befunden, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen am Dienstag bei der Pressekonferenz in Kaiserslautern. Diese Tat hätten sie verdecken wollen. Die Ermittler gehen davon aus, dass beide festgenommene Tatverdächtige Schüsse abgefeuert haben.

Der 32 Jahre alte Tatverdächtige räumte nach Darstellung der Staatsanwaltschaft die Wilderei ein. Er habe auch die Polizeikontrolle geschildert. "Er hat aber bestritten, selbst geschossen zu haben", sagte Orthen. Der 38-Jährige mache von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Vorbestrafte mit Waffenarsenal

Die beiden Tatverdächtigen waren laut Staatsanwaltschaft nicht rechtskräftig vorbestraft. Der 38-Jährige sei der Polizei aber früher bereits wegen Jagdwilderei und Verkehrsunfallflucht aufgefallen, sagte Kriminaldirektor Frank Gautsche. Der 32-Jährige war der Polizei wegen Betrugsdelikten bekannt.

Die Ermittler stellten ein großes Waffenarsenal sicher. Wie vor der Pressekonferenz aus Sicherheitskreisen verlautete, fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung im saarländischen Spiesen-Elversberg fünf Kurzwaffen, ein Repetiergewehr, zehn weitere Langwaffen, eine Armbrust sowie einen Schalldämpfer und Munition. Die Ermittler gehen den Angaben zufolge davon aus, dass der festgenommene 38-jährige Tatverdächtige Zugang zu den Waffen hatte. Im Haus des zweiten Tatverdächtigen seien zwei Langwaffen entdeckt worden, hieß es.

Funkspruch: "Die schießen"

Montagfrüh waren eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und ein 29 Jahre alter Oberkommissar bei einer Verkehrskontrolle an einer Kreisstraße in der Nähe der Kreisstadt Kusel erschossen worden. Die Beamten hatten nach Angaben aus Sicherheitskreisen zuvor per Funk gemeldet, in einem Fahrzeug sei totes Wild gefunden worden. Später meldeten sie: "Die schießen!" Auch der Polizist soll am Tatort noch mehrere Schüsse abgegeben haben – ob es Warnschüsse waren oder einen Tatverdächtigen verletzten, ist noch unklar. Die Waffe seiner Kollegin kam offensichtlich nicht zum Einsatz. Während die junge Frau, die noch an der Hochschule der Polizei studierte, nach Polizeiangaben sofort tot war, habe ihr Kollege zunächst noch gelebt. Er sei aber gestorben, als die Rettungskräfte eintrafen.

Verdächtiger Wildhändler stellte sich

Am Montagabend folgten die Festnahmen zweier Deutscher. Zunächst stellte sich der 38-Jährige – ein Wildhändler aus dem saarländischen Kreis Neunkirchen – der Polizei, nachdem sie öffentlich nach ihm gefahndet hatte. Der Verdächtige habe sich über seine Anwältin gemeldet und sei vor einem Haus in Sulzbach festgenommen worden, so die Behörden.

Die Polizei hatte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Tatort Papiere des Verdächtigen gefunden. Der Mann war der Polizei nach Angaben aus Sicherheitskreisen in der Vergangenheit wegen Unfallflucht aufgefallen. Auch er habe sich zunächst nicht zur Sache geäußert. Bei einer Durchsuchung seien unter anderem Waffen sichergestellt worden.

Polizisten als Angriffsziel

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, seine Behörde werde bei der Aufklärung der Tat volle Unterstützung leisten. "Es ist unbegreiflich, wenn Polizistinnen oder Polizisten bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen, zum Angriffsziel werden und ihr Leben verlieren."

Der Deutsche Jagdverband erklärte, der 38-Jährige sei nicht im Besitz eines gültigen Jagdscheins gewesen. Nach derzeitigem Kenntnisstand habe die zuständige Behörde im Saarland seinen Antrag, erneut einen Jagdschein zu lösen, wegen fehlender Zuverlässigkeit abgelehnt. Der Verband zeigte sich entsetzt über den "kaltblütigen Polizistenmord" und forderte die Behörden auf, rasch zu klären, woher die Tatwaffen stammen und wie sie in den Besitz des Tatverdächtigen gelangen konnten.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach den Angehörigen der erschossenen Polizisten sein Beileid aus. Was in Kusel passiert sei, bedrücke ihn sehr. Er denke an die vielen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag ihr Leben riskieren, um Bürger zu schützen.

Auch Innenpolitiker mehrerer Parteien rückten die Risiken des Polizeiberufs in den Fokus. So sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Hartmann, der "Bild"-Zeitung: "Brutal zeigt sich die Gefährlichkeit des Polizeiberufs. Die Tat ist restlos aufzuklären auch mit Blick auf den besten Schutz von Polizeibeamten."

Ein Polizeisprecher aus Trier berichtete am Montagabend, bei Protestveranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen hätten einige Teilnehmer den Polizisten kondoliert. Kerzen seien zum Gedenken an die beiden toten Beamten entzündet worden. Auch ein Sprecher des Polizeipräsidiums Kaiserslautern sagte, es habe bei einigen der Veranstaltungen Solidaritätsbekundungen für die Polizei gegeben. (APA, red, 1.2.2022)