US-Außenminister Antony Blinken soll am Dienstag noch mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow telefonieren.

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Kiew/Moskau/Washington – Wenige Stunden vor einem erneuten Gespräch zwischen Russlands Außenminister Sergej Lawrow und seinem US-Kollegen Antony Blinken zur Ukraine-Krise hat Moskau am Dienstag den Ton verschärft. Man werde trotz der Sanktionswarnungen aus den USA "nicht zurückweichen", erklärte die russische Botschaft in Washington. Es sei "Washington, nicht Moskau, das die Spannungen schürt". Lawrow und Blinken wollen im Lauf des Vormittags telefonieren.

Dabei wird es auch um die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien gehen. Diesbezüglich wies Russlands Vizeaußenminister Alexander Gruschko Berichte zurück, seine Regierung habe den USA eine schriftliche Antwort auf deren Gegenvorschläge zu den Sicherheitsgarantien gegeben. Die Antwort sei noch in Arbeit, berichtete die Nachrichtenagentur Ria. Das US-Außenministerium hatte zuvor den Eingang des Schreibens am Montagabend verkündet. Zum Inhalt machte das Ministerium keine Angaben.

Russland forderte Ende der Nato-Osterweiterung

Russland hatte den USA und der Nato im Dezember einen weitreichenden Forderungskatalog vorgelegt. Kreml-Chef Wladimir Putin verlangt "Sicherheitsgarantien", darunter einen schriftlichen Verzicht der Nato auf eine weitere Osterweiterung und den Abzug der strategischen US-Waffen aus Europa. In schriftlichen Antworten an Moskau lehnten die USA und die Nato diese Forderungen in der vergangenen Woche ab.

Blinken erklärte jedoch, dass die USA Russland einen "ernsthaften diplomatischen Pfad" zur Beendigung der Krise aufgezeigt hätten. Unter anderem habe man die "Möglichkeit gegenseitiger Transparenzmaßnahmen" im militärischen Bereich und in Bezug auf die Ukraine formuliert.

Russischer Truppenaufmarsch setzt sich fort

Parallel zu den diplomatischen Bemühungen bereiten sich die USA und die Nato auf eine militärische Eskalation vor. Nach Angaben von US-Regierungsvertretern setzt Russland den Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze fort und plant eine Aufstockung seiner Truppen in Belarus nahe der ukrainischen Grenze.

Nach westlicher Einschätzung befinden sich im russischen Grenzgebiet zur Ukraine bereits mehr als 100.000 Soldaten. Der Westen droht Russland für den Fall einer Invasion seit Wochen mit harten Sanktionen.

USA kündigten Truppenverlegung an

Mit Blick auf US-Präsident Joe Bidens Ankündigung, wegen der Ukraine-Krise bald zusätzliche US-Truppen in die osteuropäischen Nato-Staaten zu verlegen, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Montag: "Eine Option, die uns zur Verfügung steht, ist der Einsatz von US-Streitkräften, die sich bereits in Europa aufhalten. Man muss nicht unbedingt Truppen aus den USA oder aus anderen Orten einfliegen lassen." In Europa sind regulär auch außerhalb von Krisenzeiten Zehntausende US-Soldaten stationiert.

Auf Bidens Anordnung hin waren am Montag 8.500 Soldatinnen und Soldaten in den USA in erhöhte Bereitschaft versetzt worden, um bei Bedarf eine schnelle Verlegung zu ermöglichen. Kirby betonte, dass es sich dabei um zusätzliche Truppen handle. Der Pentagon-Sprecher machte keine Angaben, wann wie viele US-Soldaten wohin verlegt werden sollen. Es sollen jedenfalls keine US-Soldaten in die Ukraine geschickt werden.

Russisches Militärmanöver vor Irland

Der Kreml bestreitet Angriffspläne, betont aber gleichzeitig, sich von der Ukraine und der Nato bedroht zu fühlen. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Montag warf UN-Botschafter Wassili Nebensja den USA vor, "Hysterie schüren" zu wollen. Kein russischer Regierungsvertreter habe mit einer Invasion in die Ukraine gedroht. "Die Diskussionen über die Gefahr eines Krieges sind für sich selbst provokant. Sie rufen fast danach, Sie wollen, dass es passiert", sagte er an die Adresse Washingtons.

Trotzdem beginnt am Dienstag ein weiteres russisches Militärmanöver – vor der irischen Küste. Die mehrtägigen Übungen sollen innerhalb Irlands ausschließlicher Wirtschaftszone stattfinden. Weil es sich dabei um internationale Gewässer handle, könne die Regierung die Übungen nicht untersagen, erklärte kürzlich der irische Außen- und Verteidigungsminister Simon Coveney. Anders als das Vereinigte Königreich ist Irland kein Nato-Mitglied.

Johnson in Kiew

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson reist am Dienstag nach Kiew. "Als Freund und demokratischer Partner wird das Vereinigte Königreich die Souveränität der Ukraine auch weiterhin gegen diejenigen verteidigen, die sie zerstören wollen", erklärte er vor seinem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj.

In Moskau wurde unterdessen der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zu einem Gespräch mit seinem Verbündeten Putin erwartet. Die ungarische Opposition kritisierte die Reise scharf, auch in der Nato dürfte es deshalb zu Unstimmigkeiten kommen. Ungarn gehört dem Militärbündnis seit 1999 an. (APA, 1.2.2022)