Greenpeace prangert Leerflüge als massiv umweltschädlich an.

Foto: APA/dpa/Boris Roessler

Um sich wertvolle Start- und Landeslots zu sichern, lassen Fluggesellschaften ihre Maschinen leer fliegen. Diese sogenannten Geister- oder Leerflüge sind aktuell eine der heißesten Kontroversen in der Reisebranche. Nun hat Greenpeace vorgerechnet, dass allein in diesem Winter mehr als 100.000 Leerflüge in Europa stattfinden könnten, weil die EU "heuchlerische Regeln" für die Nutzung von Start- und Landebahnen aufgestellt habe.

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht von Greenpeace wird behauptet, dass auf diese Weise in diesem Winter unnötigerweise bis zu 2,1 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden – das entspricht dem Ausstoß von 1,4 Millionen Autos in einem Jahr.

Abschaffen

"Die EU-Kommission, die von den Fluggesellschaften verlangt, leere Flugzeuge zu fliegen, um eine willkürliche Quote zu erfüllen, ist nicht nur umweltschädlich, sondern angesichts ihrer Klimarhetorik auch extrem heuchlerisch", empörte sich Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster gegenüber dem "Guardian". Er forderte, die Geisterflüge abzuschaffen und Kurzstreckenflüge zu verbieten, wenn es als Alternative eine "vernünftige Zugverbindung" gibt.

Durch die Corona-Krise wurden die strengen Anforderungen der Slotregeln der EU deutlich gelockert, die ursprünglich besagten, dass Fluggesellschaften mindestens 80 Prozent ihrer Start- und Landerechte nutzen müssen, um die ungenutzten Slots im darauffolgenden Jahr nicht zu verlieren. Inzwischen nimmt die EU die Lockerungen schrittweise zurück. Aktuell liegt der Schwellenwert bei 70 Prozent.

Der Schritt wurde von Umweltschützern mit Verärgerung aufgenommen: Der Schwellenwert sorge dafür, dass mehr Geisterflüge durchgeführt werden, um den Status quo der Start- und Landebahnen zu erhalten, kritisieren sie.

Unnötige Flüge

Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, Carsten Spohr, gab kürzlich bekannt, dass die Fluggesellschaft gezwungen sein wird, bis zu 18.000 "zusätzliche, unnötige Flüge" durchzuführen, um die neuen Regeln zu erfüllen, und forderte, dass die EU die gleiche Art von "klimafreundlichen Ausnahmen" erteilt, wie sie in anderen Teilen der Welt üblich sind. "Das schadet dem Klima und ist genau das Gegenteil von dem, was die EU-Kommission mit ihrem Programm 'Fit for 55' erreichen will", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen".

Wie kommt man bei Greenpeace auf die Zahl von 2,1 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen?Die Umweltschutzorganisation schätzt, dass ein durchschnittlicher 90-minütiger Flug eines 200-sitzigen Flugzeugs (mit einer Reichweite von 800 bis 1.000 Kilometern) mindestens 20 Tonnen Treibhausgasemissionen verursacht. Der Anteil der Lufthansa an den Geisterflügen wurde auf andere europäische Fluggesellschaften übertragen, wobei der Marktanteil der deutschen Fluggesellschaft mit 17 Prozent zugrunde gelegt wurde – so kam man zum Schluss auf 2,1 Millionen Tonnen.

Kommerzielle Entscheidung

Tim Johnson, Direktor der Aviation Environment Federation, bezeichnete die Untersuchung von Greenpeace als "goldrichtig" und forderte eine radikale Überarbeitung der Vorschriften, um Effizienz zu belohnen. "Wir brauchen eine Art Effizienzmaßstab als Grundlage für die Zuteilung von Zeitnischen, der es ermöglicht, einen Betreiber mit einem modernen, voll ausgestatteten Flugzeug gegenüber konkurrierenden Fluggesellschaften zu bevorzugen, die mit einer viel geringeren Auslastung oder älteren Technologien operieren", sagte er dem "Guardian".

Die Europäische Kommission bestreitet jedoch, dass Geisterflüge ein Problem sind, und schiebt die Schuld den Fluggesellschaften selbst zu. "Leerflüge oder 'Geisterflüge' sind schlecht für die Wirtschaft und schlecht für die Umwelt", sagte Kommissionssprecher Stefan De Keersmaecker. "Deshalb hat die Kommission von Beginn der Pandemie an Maßnahmen entwickelt, um solche Flüge zu vermeiden. Die Entscheidung, Strecken zu bedienen oder nicht, ist eine kommerzielle Entscheidung der Fluggesellschaft und nicht das Ergebnis von EU-Vorschriften."

Ryanair-CEO Michael O'Leary sagte vergangene Woche, die "Use it or lose it"-Regeln begünstigten die alten Langstreckenfluggesellschaften, und forderte die Fluggesellschaften, die ihre Flüge nicht besetzen können, auf, entweder ihre Preise zu senken oder die Slots an andere Fluggesellschaften abzugeben, die dies können. "Verkaufen Sie diese Plätze zu niedrigen Preisen und tragen Sie dazu bei, die Erholung des Kurz- und Langstreckenflugverkehrs von und nach Europa zu beschleunigen", sagte er, wie The Points Guy berichtet. (red, 1.2.2022)

Weiterlesen

Eine einfache Ausnahmeregelung könnte zehntausende Geisterflüge verhindern

Lufthansa streitet weiter mit EU-Kommission wegen "Geisterflügen"

Druck auf EU-Kommission wegen vieler "Geisterflüge" steigt