Viele Verschwörungsmythen kursieren, viele Menschen wollen sich aber von Aluhutträgern abgrenzen.

Foto: imago images/Marc John

Autoritäre und antiautoritäre Strömungen werden durch die Corona-Krise undurchsichtiger. Sie lassen sich nicht mehr klar nach Parteipräferenz und Ideologie trennen. Das zeigen die Ergebnisse der dritten Erhebung der sozialwissenschaftlichen Studie zum Autoritarismus in Salzburg – die mitten in die Corona-Krise gefallen ist.

Bei den vorangegangenen Befragungen waren die autoritären Einstellungen recht eindeutig der Mittelschicht und dem rechten Spektrum zuordenbar, erklärt der Soziologe Wolfgang Aschauer von der Uni Salzburg, der die Studie gemeinsam mit Janine Heinz vom Sora-Institut durchführte. Nun hätten auch Kreise im linken Spektrum autoritäre Haltungen. "Gleichermaßen nimmt die Verschwörungsgläubigkeit bei Rechten zu", sagt Studienleiter Aschauer. Bürgerliche wiederum hätten teils harsche Einstellungen gegenüber Ungeimpften. "Das zeigt, dass wir mit neuen Spaltungslinien in der Gesellschaft konfrontiert sind."

Die tiefsten Gräben gebe es zwischen zwei autoritären Milieus. Die größte Gruppe bilden dabei mit rund 24 Prozent die konventionell Autoritären, die sich durch eine besondere Härte gegenüber Impfgegnern auszeichnen. Sie sind in ländlichen Regionen stärker vertreten und haben eine klare Präferenz für die ÖVP.

Zwei Gruppen Ungeimpfter

Sie stehen einer Gruppe von rund 17 Prozent radikalisierten Ungeimpften gegenüber, die schon seit längerer Zeit aus dem gesellschaftlichen Diskurs ausgestiegen sind, erläutert die Sozialwissenschafterin Janine Heinz. Diese leugnen die Existenz des Virus sowie wissenschaftliche Erkenntnisse, halten die Impfung für eine Genspritze und sich selbst für Aufklärer oder Märtyrer. Es gebe aber auch die Gruppe der Impfskeptischen, die Vorbehalte gegenüber der Pharmaindustrie und persönliche Ängste hätten und daher verunsichert sind, betont Heinz. Sie nehmen die Erkrankung ernst, erkennen die Leistungen der Wissenschaft an, haben jedoch einen massiven politischen Vertrauensverlust.

Die Autoritarismus-Studie wurde 2017 erstmals von der Abteilung Soziologie der Universität Salzburg und der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen durchgeführt. 2019 folgte die zweite Befragungswelle, die zeigte, dass das Ausmaß an autoritären Haltungen in Salzburg nach wie hoch war. Für die aktuelle dritte Erhebung haben die Soziologen in einem verlängerten Fragebogen auch die Haltung zur Corona-Skepsis abgefragt. 433 Salzburgerinnen und Salzburger sind vom Institut für Grundlagenforschung mittels Onlinesample befragt worden. Die autoritären Einstellungen sind auch in der dritten Befragungswelle stabil auf einem hohen Niveau.

Judenvergleich und Sendemasten

Die Ergebnisse des erweiterten Fragebogens zeigen, wie weit verbreitet die Corona-Skepsis in Salzburg ist. So sind etwa 40 Prozent der Befragten der Meinung, die Pharmakonzerne wollen die Menschheit zwangsimpfen, um damit Geld zu verdienen, und meinen, ihre Selbstheilungskräfte seien stark genug, um das Virus im Fall einer Infektion zu bekämpfen. Dem gegenüber stehen 60 Prozent, die die Impfpflicht befürworten. 40 Prozent finden, Ungeimpfte sollten für Krankenhausaufenthalt selbst bezahlen.

Ein Drittel meint, Ungeimpfte werden wie Jüdinnen und Juden im Dritten Reich behandelt.

Ein Drittel verharmlost den Holocaust und ist der Meinung, Ungeimpfte werden wie Jüdinnen und Juden im Dritten Reich behandelt. Fast ebenso viele finden, die Corona-Maßnahmen seien mit dem Faschismus vergleichbar. Immerhin zehn Prozent sind davon überzeugt, dass die neuen 5G-Sendemasten für die Verbreitung des Coronavirus mitverantwortlich sind. Neun Prozent haben Angst, dass über die Impfung Mikrochips implantiert werden, um sie besser zu überwachen.

Distanz zu Aluhutträgern

Trotz dieser Ansichten ist der Glaube an Verschwörungsmythen generell gesunken. Ein Drittel meint, dass unser Leben durch geheime Verschwörungen bestimmt wird. Bei der ersten Erhebung 2017 waren es noch 60 Prozent. Auch Aberglauben und übersinnlichen Phänomenen hängen weniger Menschen an als in den ersten beiden Befragungen. "Die Menschen wollen sich stärker distanzieren von Aluhutträgern", betont Janine Heinz.

Sehr stabil oder sogar stärker geworden sei der sogenannte Sozialdarwinismus. "Eine egozentrische Sichtweise auf die Welt als Wettbewerbsdschungel. Nach oben buckeln und nach unten treten", erklärt Aschauer. Nur die Besten, die Stärksten oder Erfolgreichsten überleben. Schwächere Gruppen werden abgewertet, Fremde ausgeschlossen. So meinen etwa 70 Prozent der befragten Salzburger, Bettlerinnen und Bettler sollten aus den Fußgängerzonen verbannt werden. 57 Prozent finden Obdachlose unangenehm, und 65 Prozent wollen, dass Flüchtlinge bei kleineren Vergehen abgeschoben werden sollen. (Stefanie Ruep, 2.2.2022)