Die damalige SPÖ-Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer bei der Wahlfeier im Rahmen der oberösterreichischen Landtagswahl im September vorigen Jahres.

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Dass der Umbau an der Spitze der oberösterreichischen SPÖ wohl unausweichlich ist, war seit geraumer Zeit klar. Spätestens nach dem erneut desaströsen Ergebnis bei der Landtagswahl im September des Vorjahres waren sowohl Landesparteichefin Birgit Gerstorfer als auch Geschäftsführer Georg Brockmeyer innerparteilich schwer angezählt. Nicht ohne Grund kündigte Gerstorfer jüngst offiziell an, beim nächsten Parteitag nicht mehr antreten zu wollen.

Überraschend und durchaus kurios ist hingegen der Zeitpunkt der innerparteilichen Demontage des roten Führungsduos. Offizieller Grund, warum nämlich etwa Parteigranden wie der Linzer Bürgermeister Klaus Luger der eigenen Parteispitze das Misstrauen aussprachen und bereits am Dienstagabend in einer außerordentlichen Sitzung des Parteigremiums die Ablöse Gerstorfers und Brockmeyers besiegelt und der bisherige Klubobmann Michael Lindner als Nachfolger fixiert werden sollte, ist eine jüngst lancierte Impfkampagne.

Provokativer Impfaufruf

Montag dieser Woche präsentierten Brockmeyer und der Dritte Landtagspräsident und SPÖ-Gesundheitssprecher Peter Binder einen durchaus provokativen Impfaufruf. Die Plakate, die noch diese Woche mit einer Stückzahl von 1.000 in ganz Oberösterreich affichiert werden sollten, zeigen ein weinendes Kind, darunter ist zu lesen: "Ich will dich nicht verlieren. Lass dich impfen. Jetzt." Parallel sollte die Kampagne auch auf Social-Media-Kanälen und im Radio gefahren werden.

Der Ärger kam aber prompt aus den eigenen Reihen. So forderte etwa der rote Nationalratsabgeordnete und langjährige Voestalpine-Personalvertreter Dietmar Keck umgehend den Rücktritt Gerstorfers und Brockmeyers. "Wenn man Kinder und den Tod verknüpft, ist eine Grenze überschritten worden", stellte der rote Gewerkschafter klar.

Mächtige Gewerkschaften

Doch auch dass die Kritik auffallend rasch und scharf aus der Gewerkschaftsecke kam, überrascht wenig. Denn genau mit dieser so gewichtigen Säule innerhalb der SPÖ hatte es zuletzt einen handfesten Konflikt gegeben. Nach der Landtagswahl im Herbst und dem bescheidenen Zuwachs von 0,2 Prozentpunkten hatte die Landes-SPÖ im Auftrag von Gerstorfer und Brockmeyer begonnen, das Wahlergebnis und die Positionierung der Partei von externen Fachleuten analysieren zu lassen.

Das Ergebnis lautet grob gesprochen: Die Gewerkschaften hätten zu viel Macht innerhalb der Partei, die SPÖ habe kein eigenständiges Profil mehr und sei bei vielen Themen nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft. Was erwartungsgemäß zu einem entsprechend lauten Aufschrei in den Reihen der Gewerkschaft führte.

Gesundheitssprecher Binder distanziert sich auf Nachfrage von der umstrittenen Impfkampagne. Er sei in die Entwicklung des Sujets auch "gar nicht eingebunden gewesen". Binder: "Es war ein Alleingang von Gerstorfer und Brockmeyer. Mich hat man erst am Freitag gefragt, ob ich an der Präsentation teilnehmen kann. Das Plakat selber habe ich erst unmittelbar vor der Präsentation gesehen." Es würde ihn "furchtbar ärgern", da jetzt "hineingezogen" zu werden. Binder: "Ich bin davon ausgegangen, dass das mit den Parteigremien abgesprochen war. War es aber leider nicht."

Der Wechsel an der Spitze sei jetzt unausweichlich. Innerhalb kürzester Zeit hätten Gerstorfer und Brockmeyer zweimal gegen die "Usancen der Partei verstoßen". Klubobmann Lindner als neuer Parteivorsitzender sei für ihn logisch. "Er ist aus derzeitiger Sicht derjenige, der in der Partei mit der größten Unterstützung rechnen kann."

Zu einer offiziellen Stellungnahme war von dem gestrauchelten roten Führungsduo zunächst niemand bereit. Der wohl neue Mann der roten Landesspitze, Michael Lindner, kündigte im STANDARD-Gespräch nur knapp an, dass er bereitstehe, "wenn die Sozialdemokratie mich braucht".

Birigt Gerstorfer war die erste Frau auf dem roten Chefsessel. Für viele in der SPÖ war der jüngste Versuch der roten Parteispitze, endlich mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, einfach nur zum Heulen. (Markus Rohrhofer, 1.2.2022)