Als es Dienstagfrüh hieß, dass die besetzte Stadtstraßen-Baustelle in der Wiener Donaustadt polizeilich geräumt wird, war niemand wirklich überrascht. Zwar hatte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) diese Maßnahme immer als letzte Konsequenz bezeichnet, aber sie damit auch nicht ausgeschlossen. Und spätestens als vor wenigen Tagen ein Gespräch zwischen Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) und Besetzern scheiterte, weil Letztere nicht wie von Sima gefordert zu einem geordneten Abzug bereit waren, war wohl auch der optimistischsten Aktivistin klar, dass bald die Polizei vorbeischauen wird.

Die Auseinandersetzung der Stadtregierung mit dem Öko-Protest war dabei seit langem zum Scheitern verurteilt. Und zwar, weil die Regierung, allen voran die SPÖ, kein ernsthaftes Interesse an einem Dialog mit den Aktivisten zeigte. Gebetsmühlenartig wurde stattdessen wiederholt, dass Wien eine Klimamusterstadt sei. Einladungen der Besetzerinnen zum Camp wurden ausgeschlagen. Als dann auch noch Klagsdrohungen, unter anderem an eine 13-jährige Schülerin, verschickt wurden, waren die Fronten weiter verhärtet. Und als die Stadt bereits vor dem Treffen mit Sima den Abzug der Besetzer als Ziel definierte, war den Aktivistinnen klar, dass dieses Gespräch sinnlos sein würde.

Die von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten besetzte Baustelle der Stadtstraße wird seit Dienstagfrüh polizeilich geräumt.
Foto: Christian Fischer

Natürlich hat die Stadt das Recht, eine polizeiliche Räumung anzuordnen. Fest steht auch, dass die fünfmonatige Besetzung Kosten verursacht hat. Und ja, eine Großstadt wird wohl auch in den kommenden Jahren nicht ohne den Bau von Straßen auskommen. Die Grünen hatten – noch als Juniorpartner der SPÖ in der Stadtregierung – das Projekt Stadtstraße auch mitentwickelt und abgesegnet.

Alternativen zum Straßenprojekt

Es ist aber auch so, dass bei einigen Menschen – auch bei solchen, die keine Aktivisten sind – die Bilder der Räumung, des parallelen Baumfällens für Ablehnung sorgen werden. Viele fragen sich, ob man 2022 so mit jungen Personen umgehen muss, die sich Sorgen wegen der Klimakrise machen, die meinen, es gebe umweltfreundlichere Alternativen zum Straßenprojekt. Immerhin wurde es in einer anderen Zeit geplant – vor Fridays for Future und dem gestiegenen Bewusstsein für diese Themen in der gesamten Bevölkerung.

Anstatt sich fünf Monate lang immer weiter voneinander zu entfernen, hätte man die Zeit für Bürgerinnenforen, Expertengespräche, vielleicht sogar für eine Befragung der betroffenen Bevölkerung, die ja so oft bemüht wird, nützen können. Wie eine solche ausgegangen wäre, ist freilich schwer zu sagen. Ein Pro Stadtstraße hätte dem Bürgermeister aber jedenfalls ein triftiges Argument an die Hand gegeben.

Denn eines muss der Stadtregierung klar sein: Die Camps können geräumt, die Bäume gefällt und die Bagger aufgefahren werden. Der Widerstand gegen den Bau der Stadtstraße – und gegen künftige Projekte dieser Art – wird nicht aufhören. Wahrscheinlich wird er sogar zunehmen, lauter und radikaler. Das kann nicht im Interesse der Politik sein.

Eine Klimamusterstadt zeichnet sich nicht nur dadurch aus, sich – wie Wien es tut – Ziele zu stecken, um innerhalb von 18 Jahren klimaneutral zu werden. In einer Klimamusterstadt wird die Kritik von Umweltaktivistinnen und Klimaschützern gehört, und man setzt sich glaubwürdig damit auseinander. Ansonsten bleibt das Image der Betonierer-Partei an der SPÖ zu Recht kleben. (Lara Hagen, 1.2.2022)