Donnerstag wird nach vielem Hin und Her der Weg für die Impfpflicht frei gemacht. Sie wird aller Voraussicht nach im Bundesrat beschlossen, damit kann sie frühestens am Freitag in Kraft treten – nachdem der Bundespräsident das Gesetz geprüft und unterschrieben hat, es vom Kanzler gegengezeichnet und dann kundgemacht wurde. Zumindest, sofern die Mehrheit der Abgeordneten im Bundesrat zustimmt.
Nachdem es da einen Konsens zwischen ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos gibt, wird sich das wohl ausgehen. Dass es in den Parteien einzelne Gegenstimmen geben kann, ist klar, das hat bereits die Abstimmung im Nationalrat gezeigt. Dass die FPÖ geschlossen dagegen stimmen dürfte, ist ebenso klar. Doch selbst wenn im Bundesrat keine Mehrheit zustande kommen sollte, könnte er das Gesetz nicht verhindern, sondern nur um acht Wochen verzögern. Was ändert sich also, sobald es gilt?
Frage: Kurz noch einmal gesammelt: Was sind die Eckpunkte der Impfpflicht, wen betrifft sie?
Antwort: Eine Corona-Schutzimpfung brauchen künftig alle Personen, die über 18 Jahre alt sind und die ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz in Österreich haben. Ausgenommen davon sind Schwangere, jene, die sich vor maximal 180 Tagen mit dem Virus infiziert haben, und jene, bei denen gesundheitliche Gründe dagegen sprechen – welche das sind, legt der Gesundheitsminister fest.
Frage: Wie viel zahlt man, wenn man nicht geimpft ist?
Antwort: Wird man erwischt, kostet das ab dem 16. März (Start der Phase zwei, siehe unten) bis zu 600 Euro – außer man lässt sich innerhalb von zwei Wochen impfen. Erhebt man Einspruch, beginnt ein sogenanntes ordentliches Verfahren, dann kann die Höchststrafe bis zu 3.600 Euro gehen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird es nicht geben, das wird im Gesetz explizit ausgeschlossen. Verliert man das Verfahren, kommen dazu noch die Verfahrenskosten. Das sind in der ersten Instanz zehn Prozent der Strafe, in der zweiten Instanz 20 Prozent.
Frage: Nun kommt die Impfpflicht, gleichzeitig werden bald 2G-Regeln aufgeweicht. Ergibt das Sinn?
Antwort: Auf den ersten Blick nicht. Man könnte das aber auch so sehen: Erst durften Ungeimfpte kaum wo rein, nun müssen sie zahlen – die Sanktionen sind dann eben andere. "Darin kann freilich ein gewisser Widerspruch gesehen werden", sagt dazu Verfassungsjuristin Valerie Mayer. "Allerdings wird auch Personen, die aufgrund der Impfpflicht bereits den ersten Stich erhalten haben, bereits Zugang zu Handel und Gastro gewährt. Ungeimpften drohen hingegen ab Mitte März wegen Verstößen gegen die Impfpflicht empfindliche Geldstrafen."
Der Verfassungsjurist Karl Stöger, der auch im Gecko-Gremium sitzt, nennt einen anderen Grund: "Verfassungsrechtlich sind die beiden Maßnahmen entkoppelt." Man könne Lockdowns oder 2G-Regeln als kurzfristige Maßnahmen sehen, um Wellen zu brechen, die Impfung aber als mittel- bis langfristige Maßnahme, die das Ziel hat, ebendiese Notlösungen zu verhindern. "Je erfolgreicher die Impfung ist, desto weniger braucht man 2G oder Kontaktbeschränkungen", sagt er.
Frage: Heißt das im Umkehrschluss, dass es keine 2G-Regeln mehr geben darf, wenn die Impfpflicht gilt?
Antwort: Nein. Erstens hängt da vieles von etwaigen Varianten ab – und davon, wie gut eine Genesung oder eine Impfung vor denen schützen. Zweitens kann es sein, dass wenn sich die Situation erneut zuspitzt, zusätzlich zur Impfung diese "Wellenbrecher" nötig werden. Auch wenn die Impfquote niedrig bleibe, "kann es sein, dass man wieder Maßnahmen ergreifen muss, das kann dann auch die Ungeimpften treffen", sagt Stöger. Wobei das freilich die Wirksamkeit der Impfpflicht infrage stellen wird.
Frage: Was bedeutet das Ende der 2G-Regel für die Kontrolle der Impfpflicht?
Antwort: Die Polizei kann ab Mitte März bei allen Amtshandlungen den Impfstatus prüfen. Da wird voraussichtlich im Handel weder eine 2G- noch eine 3G-Regel gelten, in der Gastronomie ist 3G geplant. In einer Bar etwa kann die Polizei dann aber bei einer 3G-Kontrolle auch die Impfpflicht kontrollieren, im Handel etwa bei Maskenkontrollen. Eine Anzeige kann natürlich jeder oder jede machen.
Frage: Der Lockdown für Ungeimpfte ist vorbei. Ändert das etwas?
Antwort: Das ändert die Art, wie beziehungsweise wo kontrolliert wird. In einem Lockdown oder in einem Lockdown für Ungeimpfte könnte die Polizei Personen am Gehsteig fragen, warum sie draußen sind – und eben, ob sie geimpft sind. Gibt es keine Ausgangsbeschränkungen, fällt das weg. Allerdings werden dadurch wieder Polizeiressourcen frei, um die Impfpflicht bei anderen Amtshandlungen zu prüfen, zum Beispiel bei Verkehrskontrollen oder eben bei 3G-Kontrollen in der Gastro. Übrigens: Sobald die Phase drei anläuft, darf die Polizei die Impfpflicht nicht mehr kontrollieren.
Frage: All das ist ein enormer Verwaltungsaufwand. Wie will man das in den Griff bekommen?
Antwort: Tatsächlich ist der Widerstand gegen die Impfpflicht groß – oder zumindest laut. Um den Aufwand, der mit Einsprüchen und Beschwerden einhergehen wird, abzufedern, wurden im Gesetz einige Mechanismen eingebaut. Dazu zählt etwa das verkürzte Verfahren, und noch ein Passus illustriert das deutlich: "Das Verwaltungsgericht kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn eine Beschwerde (...) lediglich mit der Behauptung, dieses Bundesgesetz sei verfassungswidrig, erhoben wird (...)", heißt es im Gesetz. Damit sollen offensichtlich unbegründete Beschwerden im Keim erstickt werden. Im Gesundheitsministerium rechnete man dennoch ursprünglich mit 133.000 zusätzlichen Gerichtsverfahren. Das war allerdings, bevor die Impfpflicht umgebaut und die Phase zwei sozusagen als Übergangslösung eingezogen wurde.
Frage: Löst das die Probleme?
Antwort: Für die Bezirksverwaltungsbehörden fallen damit in der Phase zwei erst einmal weniger Fälle an – dafür ist das Prozedere aber nicht automatisiert. Der Städtebund warnte bereits vor einem Personalmangel in den Magistraten und berichtet nun: Die Strafabteilungen würden Personal aufstocken, hätten aber Probleme, geeignetes Personal zu finden. In jedem Fall verzögert die Phase zwei das Problem nur, bis irgendwann vielleicht doch automatisiert gestraft wird. Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, warnte kürzlich: Bekomme die Gerichtsbarkeit nicht die nötigen Ressourcen, werde das Gesetz "zahnlos bleiben". Dass es adaptiert wurde, federe das nun ab, doch mit Phase drei kämen die Probleme dennoch, sagt sie nun.
Frage: Wird das auch die Höchstgerichte belasten?
Antwort: Aus dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) heißt es auf Anfrage, man bleibe bei der Einschätzung, dass "früher oder später" wohl 13.000 zusätzliche Fälle dort aufschlagen werden. Deswegen brauche man dringend mehr Personal, dazu sei man momentan in Gesprächen mit dem Finanzministerium.
Beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) wiederum können zweierlei Arten von Fällen aufschlagen: Anträge und Beschwerden. Einen Antrag kann jeder oder jede Betroffene stellen, der oder die glaubt, dass das Gesetz gegen die Verfassung verstößt – unabhängig davon, ob er oder sie gestraft wurde oder nicht. Das geht sogar, bevor Strafen verhängt werden, also vor dem 16. März. Darauf hat die Phase zwei also keinen Einfluss. Beschweren kann man sich erst, wenn man schon im Verwaltungsstrafverfahren ist und erst nachdem man eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingelegt hat – ein Teil dieser Fälle würde sich also wohl zumindest verzögern. Beim VfGH geht man von etwa 300 Anträgen und 13.000 Beschwerden bis Mitte 2025 aus.
Frage: Manche wollen der Impfpflicht irgendwie entgehen. Ist das aussichtsreich?
Antwort: Was das angeht, so kursieren verschieden Tipps und Taktiken in einschlägigen Gruppen. Eine davon ist, einfach nicht zu zahlen. Dann kann man gepfändet und bis zu viermal im Jahr gestraft werden. Eine weitere Taktik, die unter Impfpflichtgegnerinnen und -gegnern vorgeschlagen wird, ist, Einspruch gegen eine Strafe zu erheben und dann abzuwarten, bis der VfGH das Gesetz aufhebt. Namhafte Experten und Expertinnen haben eine Impfpflicht grundsätzlich als verfassungskonform eingestuft, sehen aber einzelne heikle Passagen. Etwa jene, dass die Strafe nach einem Einspruch höher werden kann – das ist unter Verfassungsjuristen und -juristinnen zumindest umstritten. Entscheiden werden das freilich die 13 Richter und Richterinnen am VfGH – und das werden sie wohl nicht vor dem heurigen Herbst. (Gabriele Scherndl, 3.2.2022)