Glückliche Symbiose: Nicolas Cage mit seinem besten Freund in Michael Sarnoskis Film "Pig".

Foto: David Riemer/Neon

Es war ein einzelner Satz, der Nicolas Cage dazu bewogen hat, die Rolle von Robin in Pig anzunehmen: einem Mann, der sein Trüffelschwein aufrichtig liebt. Die Szene: Einst selbst Chef, ist er Gast eines Gourmetrestaurants, der Koch ist sein ehemaliger Schüler. Robin erinnert ihn daran, dass er einst davon geträumt habe, ein britisches Pub zu eröffnen. Die Augen des Kochs füllen sich mit Tränen, sein irres Lächeln bleibt. Dann sagt Robin: "Es gibt nicht viele Dinge, die einem wirklich wichtig sind."

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Die Aussage stimmt wohl auch ein wenig für Cage selbst, der mit 58 Jahren in einer Phase seiner Karriere angekommen ist, in der er die Dinge etwas gelassener sieht. Aus dem einst hochbezahlten Actionhelden in The Rock und charismatischen Posterboy in Filmen wie Arizona Junior oder Wild at Heart ist zuletzt so etwas wie ein stoischer Handwerker am Fließband des Trashs geworden. Einem wie Cage, der sympathischerweise nie die Selbstironie verloren hat, gönnt man jedes Comeback: Und Pig, inszeniert vom US-Newcomer Michael Sarnoski, fühlt sich ganz danach an.

Prophet in Lumoen

Der Independent-Film wuchs sich in den USA 2021 vom Geheimtipp zum Arthouse-Erfolg des Hipsterverleihs Neon aus. Sarnoski verleiht Cage darin genau jene ambivalente Ausstrahlung, die eine Wiederentdeckung im Kino braucht. Vom wild verwachsenen Waldschrat, der in friedlicher Eintracht mit seinem Schwein lebt, wandelt er sich zur mysteriösen Rächerfigur, in der man manchen Schatten seiner Schauspielkarriere wiederzuerkennen glaubt. Mit blutverkrustetem Gesicht – Robin beeindruckt mehr damit, wie viel er einstecken kann – bricht er nach Portland auf, um seinen entführten rotbraunen Gefährten zurückzuholen. Doch dort macht er keine Nägel mit Köpfen, sondern tritt stattdessen wie ein Prophet in Lumpen auf, der die Stadtbewohner mit ihren eigenen spirituellen Unzulänglichkeiten konfrontiert.

Sarnoski benützt in seinem Film eine lose Erzählstruktur – man denkt an das alte Genre sagenumwobener Rückkehrer –, um diese mit Schwermut und dem Gefühl eines unwiederbringlichen Verlusts anzufüllen. Es gibt viele seltsame, entrückte Szenen in Pig, die den Film vom Realismus genau weit genug wegdriften lassen, um märchenhaft zu erscheinen. Die Idee erinnert ein wenig daran, wie Jim Jarmusch in Dead Man den Western introspektiv aufgeladen hat (auch die Gitarren heulen vergleichbar); nur dass es diesmal versteckte Tunnel gibt, die in unterirdische Kampfarenen führen. Dort schlagen Restaurantmitarbeiter einander die Köpfe ein.

Skeptiker und Stachel im Fleisch

Pig beschwört eine Unterwelt des Kochens herauf, in der die Auswüchse modernen Foodietums wie soziale Krisensymptome erscheinen. Auf originelle, leicht verblasene Weise geht es um die Frage, wohin die geheimen Leidenschaften der Menschen mit den Jahren versickern. Robin war selbst einmal ein gefeierter Küchenstar, doch er hat wie andere amerikanische Skeptiker vor ihm der Zivilisation den Rücken gekehrt; warum genau, wird in Pig schlauerweise gar nicht verraten.

Jedem, dem er auf der Suche nach seinem Trüffelschwein begegnet, bleibt Robin jedoch ein Stachel im Fleisch: Denn sein Habitus verrät, dass er ein Stück näher an die Zutaten eines bedürfnislosen Lebens herangekommen ist. Cage bezeichnete den Film in einem Interview übrigens als ein Haiku – und ja, er spielt den Part ganz so, als würde er genau wissen, was es bedeutet. (Dominik Kamalzadeh, 2.2.2022)