Die Regierung sollte von dieser Praxis endlich abgehen, fordert Harald Fadinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, im Gastkommentar. Es brauche einen echten Paradigmenwechsel hin zu mehr Meritokratie.

Nebenabsprachen, die Sebastian Kurz mit Heinz-Christian Strache und später Werner Kogler unterschrieben hat, sind umstritten – aber üblich.
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Beispiele für Inkompetenz und Günstlingswirtschaft in der Verwaltung, besonders bei der Besetzung von leitenden Funktionen im öffentlichen und staatsnahen Bereich, gibt es leider nur allzu viele. Beschämende Details tun sich aktuell in den Sideletters des türkis-blauen Regierungsabkommens von 2017 auf. Darin wird aufgelistet, wie wichtige Positionen zum Teil auf Personen bezogen zwischen den Regierungsparteien aufgeteilt wurden. Das eigentliche Problem liegt nicht nur in den Absprachen, denn die Regierung hat für die meisten dieser Positionen ein gesetzliches Nominierungsrecht, sondern vor allem in der Unverfrorenheit, mit der Posten unabhängig von Qualifikation systematisch an parteinahe Günstlinge vergeben wurden.

Beispiel Nationalbank

Um in meinem Bereich, der Ökonomie, zu bleiben, sei das auf Vorschlag der Bundesregierung ernannte Direktorium der Nationalbank (OeNB) erwähnt. Üblicherweise werden Leitungsfunktionen der Zentralbank an unabhängige, renommierte Expertinnen und Experten im Bereich Geldpolitik mit langjähriger internationaler Erfahrung vergeben. Die Mitglieder des Direktoriums der Schweizer Nationalbank sind etwa allesamt promovierte Ökonominnen und Ökonomen, die an internationalen Eliteuniversitäten zur Geldpolitik geforscht und Erfahrung bei IWF oder Weltbank gesammelt haben.

Nicht so in Österreich, wo das Direktorium aus vier Männern besteht, von denen keiner annähernd ähnliche Voraussetzungen erfüllt. Gouverneur Robert Holzmann, ein pensionierter Mitarbeiter der Weltbank, ist ein FPÖ-naher Ökonom, der laut Medienberichten weder in Frankfurt noch im eigenen Haus gute Figur macht. Weitere Mitglieder sind ein früherer FPÖ-Stadtrat, ein ÖVP-naher Uniprofessor ohne internationale Reputation oder Erfahrung und ein Bürokrat mit Nähe zu Ex-Kanzler Sebastian Kurz.

Beste Köpfe?

Türkis-Blau ernannte auch den Generalrat, der das Direktorium zu beaufsichtigen hat. Ihm steht Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer vor, der aufgrund der Vielzahl seiner Ämter eine Reihe von Interessenkonflikten kumuliert. Die weiteren Mitglieder sind im Wesentlichen Interessenvertreter des Banken-, Versicherungs- und Glücksspielsektors (Raiffeisen, Wüstenrot, Casinos Austria). Zu dieser illustren Gesellschaft gesellt sich die kürzlich bestellte Chefökonomin Birgit Niessner. Die von der Personalberatung Deloitte nur viertgereihte leitende Raiffeisen-Mitarbeiterin ohne relevante wissenschaftliche und Zentralbankerfahrung wurde für den Dreiervorschlag nachnominiert, als ein OeNB-interner Kandidat seine Bewerbung zurückzog. Im Hearing konnte sie die anderen beiden Kandidaten (beide akademische Ökonomen mit langjähriger Zentralbankerfahrung) offenbar ausstechen.

Spielt die Tatsache, dass nicht Österreichs beste Köpfe im Bereich Geldpolitik die OeNB kontrollieren, sondern Personen mit enger Vernetzung zu lokalen Großbanken, eine Rolle? Davon ist auszugehen, denn die OeNB hat eine wichtige Aufgabe in der Bankenaufsicht: Sie könnte etwa den Banken strengere Regeln für die Vergabe von Immobilienkrediten vorgeben, um eine Blasenbildung zu verhindern. Dies wäre für die Banken jedoch kostspielig. Wie teuer Fehler in der Bankenaufsicht für den Staat sein können, zeigt der Fall Commerzialbank Mattersburg.

"Die Kosten schlechten Managements sind diffus und werden auf die Allgemeinheit übertragen."

Was wissen wir aber allgemein über die Bedeutung von Management für die Performance von Unternehmen und Volkswirtschaften? Forscherinnen und Forscher dreier US-Eliteuniversitäten haben tausende Unternehmen in 34 Ländern zu ihrer Managementpraxis befragt und sie anhand objektiver Kriterien bewertet. Laut ihren Studien variiert die Managementqualität stark zwischen Unternehmen und Ländern, und das erklärt ungefähr ein Drittel der Unterschiede ihrer Profitabilität und Produktivität. Sie finden auch Evidenz, dass private Unternehmen besser gemanagt sind als solche im öffentlichen Eigentum. Für die Bedeutung von Management in der Verwaltung existieren leider keine vergleichbaren Studien. Es ist jedoch plausibel, dass der Effekt von schlechtem Management sogar noch größer ist als im Privatsektor, weil es keine alternativen Anbieter gibt. Während in der Privatwirtschaft schlecht gemanagte Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden, hat im öffentlichen Bereich Inkompetenz oft keine Konsequenzen.

Wichtige Posten werden hierzulande meist nicht aufgrund von fachlicher Kompetenz, sondern anhand politischer Überlegungen, wie Parteizugehörigkeit und persönlicher Loyalität, vergeben. Hierbei spielen falsche Anreize für Politikerinnen und Politiker eine große Rolle: Der Vorteil, Einfluss auf Entscheidungen nehmen zu können, ist kurzfristig und kommt ihnen direkt zugute. Die Kosten schlechten Managements sind dagegen langfristig, diffus und werden auf die Allgemeinheit übertragen. Aus Sicht der Politik ist es daher verlockend, die "falschen" Personen zu bestellen.

Mehr Meritokratie

Nach all den Skandalen, die in letzter Zeit ans Tageslicht gekommen sind, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, wie es die Regierung nun versucht. Es braucht eine Überprüfung aller wichtigen Personalentscheidungen der letzten Jahre und einen echten Paradigmenwechsel zu mehr Meritokratie. Dazu muss erstens die Laufbahn im öffentlichen Dienst geändert werden, etwa durch Einführung einer schwierigen Aufnahmeprüfung mit Probezeit, wie sie in anderen Ländern üblich ist. Zweitens muss es klare, internationalen Standards entsprechende Anforderungsprofile bei der Ausschreibung von Leitungsfunktionen geben.

Für gewisse Managementpositionen braucht es Suchprozesse unter Beteiligung international renommierter Expertinnen und Experten und Ausschreibungen in internationalen Medien. Es sollte außerdem bei Wechseln von politisch besetzten Positionen (etwa Kabinettsposten) ins öffentliche Management eine "Cooling-off-Periode" geben. Dazu sollten strengere Unvereinbarkeitsregeln kommen. Schließlich benötigen wir mehr Kontrolle für wichtige Personalentscheidungen staatsnaher Unternehmen, etwa durch Bestellungen der Aufsichtsräte mit qualifizierter Mehrheit im Nationalrat. Ohne tiefgreifende institutionelle Änderungen wird sich an der geringen Managementqualität im öffentlichen Sektor wenig ändern. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet das Milliarden. (Harald Fadinger, 2.2.2022)