Gottfried Waldhäusl (FPÖ) droht eine Geld- oder Haftstrafe.

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Es ist der zweite Anlauf zum Prozessstart wegen Amtsmissbrauchs gegen den niederösterreichischen Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Der erste Verhandlungsbeginn Ende November scheiterte am Lockdown in der fünften Covid-19-Welle.

Waldhäusl, der nach wie vor für die Asylwerberunterbringung in Niederösterreich zuständig ist, aber dem Vernehmen nach innerhalb der Landesverwaltung unter Beobachtung steht, muss sich ab Mittwoch wegen des Vorwurfs verantworten, ein mit Stacheldraht umzäuntes Quartier für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Gemeinde Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) eingerichtet zu haben.

In Zusammenarbeit mit einer Landesbeamtin, die in einem früheren Berufsleben Asylberaterin bei der Diakonie war, soll er dort "mindestens 14" Burschen unter 18 Jahren einweisen haben lassen. Für beide Beschuldigte gilt die Unschuldsvermutung.

Auch Beamtin beschuldigt

Waldhäusl bezeichnete die Jugendlichen als "auffällig" und "notorische Unruhestifter". Laut Anklageschrift wurden sie ohne Vorwarnung aus ihren früheren Unterkünften abgeholt und in das nur spärlich eingerichtete Quartier gebracht. Dort habe es Security-Kräfte und einen Wachhund gegeben. Die einzige erlaubte Betätigung sei Fußballspielen gewesen.

Die Affäre hatte im Spätherbst 2018 für Aufsehen und Empörung gesorgt. Die Rede war etwa von einem "Alcatraz für Asylwerber" gewesen. Wegen massiver Kritik wurden die in der Unterkunft verbliebenen Jugendlichen – die meisten waren abgetaucht – nach nur vier Tagen in die niederösterreichische Pfarre St. Gabriel verlegt.

Laut der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Waldhäusl gegen Kinder-, Menschen- und Flüchtlingsrecht verstoßen. Er habe die psychisch angreifbaren, weil aufgrund ihrer Fluchtgeschichte vielfach traumatisierten Jugendlichen in eine Lage gebracht, die jeder "Achtung der Menschenwürde und Beachtung der Familieneinheit" entbehrte. Die Landesbeamtin wiederum habe, als die WKStA zu ermitteln begann, versucht, ihre eigene Beteiligung an dem Projekt kleinzureden. Mittels einer verfälschten E-Mail habe sie die Schuld einem unbeteiligten Kollegen anlasten wollen.

Waldhäusls Anwalt Manfred Ainedter zweifelt am Sachverhalt des Amtsmissbrauchs. Da Firmen mit der Einrichtung und Ausgestaltung des Drasenhofener Quartiers beauftragt waren, habe sich die Affäre "im Bereich der Privatwirtschaft" und nicht der Landesverwaltung abgespielt, sagte er dem STANDARD.

Schadenersatz für Burschen

Politische Verantwortung hingegen ortet der Wiener Anwalt Georg Zanger. Er vertritt die Jugendlichen zivilrechtlich und fordert 10.000 Euro Schadenersatz für jeden. Laut STANDARD-Informationen waren übrigens nicht 14, sondern 16 Burschen in Drasenhofen eingesperrt. Fast alle stammen aus Afghanistan, einer aus dem Irak, einer aus Ghana. Heute sind sie zwischen 19 und 21 Jahre alt. Acht von ihnen leben nach wie vor in Österreich und haben – bis auf einen, bei dem das Verfahren noch offen ist – subsidiären Schutz oder Asyl erhalten.

Mindestens zwei haben nach negativen Asylbescheiden das Land verlassen. Der eine hat in Frankreich Schutz erhalten, der Zweite hofft in Deutschland auf einen Aufenthalt. Zumindest ein Bursch wurde nach Afghanistan abgeschoben. Die übrigen vier sind – ebenfalls nach negativ abgeschlossenen Asylverfahren – unbekannten Aufenthalts. Der Prozess ist für sechs Tage anberaumt, die Liste der Zeuginnen und Zeugen ist lang. Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist geladen. (Irene Brickner, Johannes Pucher, 2.2.2022)