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Es ist nicht immer so leer. Die Kultureinrichtungen klagen aber über bescheidene Auslastung.

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Konfrontiert man die Kulturszene mit der Alltagsfrage "Wie geht’s so?", lassen sich die Antworten zu "Mittelprächtig, aber wir haben mit der Situation zu leben gelernt" komprimieren. Der Gesamteindruck: Zwischen Lockdowns, Teilöffnung und diversen Zutrittsregeln haben die Kultureinrichtungen eine gewisse Leidensfähigkeit entwickelt. Allerdings wähnen sie sich weit entfernt von früherem Auslastungsglück und der Klarheit, wie es weitergeht. Das Durcheinander wird auch dem Föderalismus angelastet. Die neuen Lockerungen des Bundes werden zwar begrüßt, doch wartet man verunsichert darauf, ob Wien mitzieht.

Die nahenden Neuheiten: Ab 5. Februar wird die Sperrstunde von 22 Uhr auf 24 Uhr verlegt. Für Kultureinrichtungen braucht man ab dann keinen aktuellen PCR-Test mehr (es gilt 2G sowie FFP2-Masken-Pflicht). Ab 19. Februar kommt für alle Veranstaltungen 3G – wenn Wien mitzieht.

Voll, aber auch schütter

Konzerthaus-Chef Matthias Naske versteht nicht, warum Ankündigungen des Bundes nicht gleich von den Ländern umgesetzt werden. Franz Patay, Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien, sieht zwar ein "treues Publikum". Wer aus den Bundesländern kommt, steht jedoch in Wien vor Hürden. Grund sind abweichende Verordnungen und verspätete Testauswertungen. Auch wegen der 2G-plus-Regel verzeichne man Stornos.

Musikverein-Chef Stephan Pauly kann ebenfalls nicht nur über volle Säle berichten. Prominent besetzte Konzerte seien fast voll, andere sehr schlecht verkauft. Das Abogeschäft brummt zwar, spontane Einzelkartenkäufe jedoch schwächeln: Nur mit PCR-Test ins Konzert zu können wäre für viele eine enorme Hürde. Auch bei der Volksoper. Deren Chef Robert Meyer bedauert, dass sie "zahlreiche Besucher, die Karten und teils lange Anreisewege hatten, wegschicken mussten, da sie Bestimmungen nicht erfüllten." Es sei aber verständlich, "dass sich die Leute nicht mehr auskennen".

Das Publikumsverhalten erweist sich im Theaterbereich noch einmal diverser und hängt von Ausrichtung, Größe und Programmierung der Häuser ab. Eine Mittelbühne wie das Linzer Theater Phönix verzeichnete im Jänner heftige Einbrüche. Eine Auslastung von mitunter nur 30 Prozent rühre vom vorangegangenen Lockdown und Krankenständen her. Es konnte keine Premiere angesetzt werden, die Zulauf gebracht hätte.

Abend-Slots fehlen

Ein großes Dreispartenhaus wie das Landestheater Tirol wiederum hat einen deutlich größeren Ensemblepool und konnte sich im Jänner über ausverkaufte Vorstellungen freuen. Es habe wenige Stornos aufgrund der 2G-Regel gegeben; in manchen Fällen kam es sogar zu Wartelisten. Schwierige Produktionen blieben jedoch unter den Erwartungen. Die Pandemie scheint der leichten Muse in die Hände zu spielen. Auch am Burgtheater ging die Auslastung von 66 Prozent im Herbst auf aktuell 59 Prozent zurück. Die Gründe haben aber u. a. damit zu tun, dass ein Theaterbesuch ein geplantes Ereignis ist, dem der eigene Quarantänefall, ein fehlender PCR-Test oder eine abgesagte Vorstellung in die Quere kommt. Auch ist der frühe Vorstellungsbeginn von vielen nicht zu schaffen.

Klagen kommen auch aus der Kinowelt: Für diese bedeutete die 22-Uhr-Sperrstunde den Ausfall des zweiten wichtigen Abend-Slots. Deshalb hoffen – und pochen – nun alle darauf, dass es auch in Wien zum Ende der Einschränkungen kommt. "Wir leben von der zweiten Hauptrunde", sagt Christian Dörfler, Obmann des Fachverbands der Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe. Ein solcher Ausfall um 50 Prozent belastet die Bilanzen schwer, zumal Blockbuster wie Spider-Man Ende 2021 extrem gute Zahlen brachten.

Vor allem die Programmstruktur habe großes Kopfzerbrechen bereitet, sagt Michael Stejskal, Betreiber mehrerer Wiener Kinos wie des Votivs: "Viele Filme sind momentan weit über zwei Stunden lang. Wir mussten bestimmte Arbeiten einfach weglassen." Härter als die Kinos trifft die gegenwärtige Situation jedoch noch die Verleiher, meint Stejskal, der mit dem Filmladen einen solchen leitet. Für die Filme stünden einfach zu wenige Säle zur Verfügung, um ihr Potenzial ganz auszuschöpfen: "Oft bleibt nur die Wahl des kleineren Übels."

Die Filme stauen sich

Nach Aufhebung der Einschränkungen wird der gewohnte Ablauf bei Kinostarts noch auf sich warten lassen. Der Stau an Filmen ist noch lange nicht abgebaut: Das liegt an der internationalen Abstimmung der Starts, hängt aber auch mit neuerlichen Verschiebungen zusammen, weil einzelne Startwochenenden nun zu dicht belegt sind. Das ist schlecht für kleine Filme. Unruhe erzeugt Mobilität, Mobilität führt zu Unruhe, aus diesem Teufelskreis gibt es noch kein Entrinnen.

Und im Konzertbereich bleibt mitunter nur die Absage. Konzerthaus-Chef Naske fordert etwa, dass die Einreiseverordnungen adaptiert werden. So muss er das Festkonzert zum Fünfziger von Teodor Currentzis verschieben, da man die überwiegend mit Sputnik V geimpften Musiker und Musikerinnen vom MusicAeterna-Orchester und -Chor nur mit zumindest fünftägiger Quarantäne ins Land bringen könnte. Das ließe sich nicht machen. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hat den russischen Impfstoff noch immer nicht anerkannt. Naske: "In diesen Momenten klopft die Weltpolitik an den Künstlereingang des Konzerthauses. Wenn es einen gemeinsamen politischen Willen gäbe, dass der Impfstoff anerkannt wird, wäre das längst passiert ..." (Ljubiša Tošić, Margarete Affenzeller, Dominik Kamalzadeh, 2.2.2022)