Das so erfolgreiche österreichische Start-up Go Student ist zunehmendem Gegenwind ausgesetzt.

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Nach dem Rekordinvestment über 300 Millionen Euro Mitte Jänner kündigte die Wiener Nachhilfeplattform Go Student an, vermehrt kleinere Firmen kaufen zu wollen. Nun wurden die ersten Namen bekannt. Zum einen übernimmt Go Student die Lernplattform Seneca Learning aus Großbritannien, zum anderen den Nachhilfemarktplatz Tus Media aus Spanien. Über genaue Zahlen wird – wie bei solchen Deals üblich – geschwiegen.

Im Gespräch mit dem STANDARD verrät Go-Student-Gründer Felix Ohswald allerdings, dass es sich jeweils um Summen im "niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbereich" handle. Seneca produziert mithilfe von künstlicher Intelligenz angepasste Lernaufgaben für Schülerinnen und Schüler, Tus Media ist ein Marktplatz, auf dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen.

Gegenwind

Nachrichten wie diese verkündet das 2016 gegründete Start-up natürlich mit Freude. Doch allmählich gibt es für das Unternehmen den ersten Gegenwind. In einem Bericht des deutschen Handelsblatt wirft der Deutsche Lehrerverband den Wienern vor, zu schnell zu expandieren, worunter die Nachhilfequalität leide. Außerdem würden die schlechten Online-Bewertungen zunehmen, beim Aufnahmeverfahren könne man einfach schummeln, und Tutorinnen und Tutoren würden zu wenig verdienen.

Den Vorwurf des Deutschen Lehrerverbands konnte in einem Rundruf bei heimischen Bildungsexpertinnen und -experten niemand einordnen. Zu wenig wisse man über Go Student.

Nischenmarkt

In Österreich gilt Online-Nachhilfe noch als Nische. Einer Studie der Arbeiterkammer zufolge würden fünf Prozent aller Schülerinnen und Schüler bezahlte Nachhilfe in Anspruch nehmen, vier Prozent unbezahlte. Man erkenne jedoch einen zunehmenden Trend. Bei Go Student werden Firmenangaben zufolge monatlich 1,5 Millionen Einheiten in 22 Ländern gebucht.

Nichtsdestotrotz hat das Unternehmen seit rund einem Jahr mit vermehrten negativen Bewertungen auf Plattformen wie Trustpilot, Kununu und Trustami zu kämpfen. Auf Kununu würden 30 Prozent von einer Beschäftigung bei dem Start-up abraten. "Es ist nicht nachvollziehbar, wie sie auf diese Zahlen kommen. Repräsentative Befragung wurde keine durchgeführt", sagt Gründer Ohswald. Das rasante Wachstum bringe zwar viele Herausforderungen, doch es werde in alle nötigen Bereiche viel Geld gesteckt, um die Qualität zu halten.

Bewertungen

Ein Blick auf die Bewertungsseiten: Auf Kununu liegt der Go-Student-Score mit 4,3 über dem Durchschnitt in der Bildungsbranche (3,7), und die Weiterempfehlungsrate liegt bei 81 Prozent. Auf Trustpilot antwortet das Start-up auf negative Bewertungen und wird zu 80 Prozent mit "hervorragend" bewertet.

Ein weiterer Vorwurf lautet, man könne beim Aufnahmeverfahren schummeln und die Antworten nebenbei ergoogeln. "Wir versuchen, die Aufnahme schwieriger zu machen, aber Schummelversuche gab und gibt es immer. Das Gute ist, Schummler helfen uns, das System anzupassen", sagt Ohswald. Im zweiten Schritt müssten in einem Gruppeninterview "live" Aufgaben gelöst werden.

100.000 Bewerbungen

Insgesamt bewerben sich laut Ohswald monatlich rund 100.000 Menschen für einen Job bei Go Student. Je nach Land schaffen fünf bis zehn Prozent den Cut.

Zahlt es sich aus? Eine Nachhilfeeinheit kostet für Schüler etwa zwischen 20 und 30 Euro, eine Einheit dauert 50 Minuten. Ein Tutor bekommt dafür im Schnitt 15 Euro. Mit der neu übernommenen Plattform von Tus Media können Tutoren ihre Dienste auch für einen selbstgewählten Zins anbieten. "Sie müssen sich aber auch selbst um die Akquise kümmern", erklärt Ohswald.

Go Student ist nach dem 300-Millionen-Euro-Investment im Jänner mit rund drei Milliarden Euro bewertet. Auch für den Gründer selbst läuft das Geschäft, auch wenn das Unternehmen noch keine schwarzen Zahlen schreibt. Bei diversen Investmentrunden hat er Anteile verkauft und tritt mit dem Geld nun als Juror und Business-Angel bei der Start-up-Show 2 Minuten 2 Millionen an. (Andreas Danzer, 2.2.2022)