Wer zahlt für die Kosten geschlossener Geschäfte in Einkaufscentern? Manch Einvernehmen wurde juristisch neu infrage gestellt.

Foto: Heribert Corn

Wien – Richard Lugner malt ein düsteres Bild seiner Zukunft. Sein Einkaufscenter werde er an die kreditgebende Bank verlieren. Für ihn selbst biete sich aufgrund seiner Vorkenntnisse nur noch ein Job als Tierpfleger in Schönbrunn an. Schuld daran seien die jüngsten höchstgerichtlichen Entscheidungen, wonach für Geschäftsflächen, die aufgrund Covid-bedingter Lockdowns nicht nutzbar waren, keine Mieten zu bezahlen sind. "Weltfremd" nennt der Baumeister sie. "Wie soll man das überleben?" Seine Branche sei ja zu einem Gutteil fremdfinanziert.

Er verstehe nicht, wie man diesen Konflikt über drei Instanzen verlieren und als Vermieter auch noch "grob fahrlässig" für die Pandemie verantwortlich gemacht werden könne, seufzt Lugner mit Blick auf das Urteil rund um ein Sonnenstudio, das wegen ausstehender Mieten geklagt wurde. Kosten für die teilweise Nutzung der Flächen, auf denen Inventar belassen und Waren gelagert wurden, seien nicht geltend gemacht worden. Als Betreiber eines Shoppingcenters bleibe man darauf offenbar allein sitzen.

Aufteilung der Kosten

Wie Lugner will auch Peter Schaider, der die Einkaufszentren Aufhofcenter und Riverside führt, die bisherige Rechtsprechung nicht hinnehmen. Vermieter seien kein Freiwild, das zum Abschuss freigegeben wurde, sagte er jüngst. "Wir brauchen eine Regelung über eine Aufteilung der Kosten zwischen Vermieter, Mieter und Staat." Schaider will gemeinsam mit der Branche Gespräche auf politischer Ebene führen. Bleibe dies ohne Ergebnis, sieht er an neuen Klagen keinen Weg vorbei. "Denn hier wird der Gleichheitsgrundsatz verletzt."

Auch Christoph Andexlinger, Chef der SES Spar European Shopping Centers, des größten Betreibers von Einkaufszentren in Österreich, wartet auf Klarstellung. Nach zwei Urteilen des Obersten Gerichtshofs seien viele Fragen offen. Zumal sich beide Urteile nur auf Dienstleister, nicht auf Händler bezogen hätten, wie er auf Nachfrage sagt. "Die Streitfragen waren sehr spezifisch, und sie sind nicht eins zu eins auf alle Bestandsverträge umlegbar." Klarstellung erwartet sich Andexlinger zudem von der Cofag, die Fixkostenzuschuss für Betriebe, die von behördlichen Schließungen betroffen waren, teilweise zurückfordert.#

Vermögensverwalter?

Mit Argusaugen wird ein prominenter Streitfall rund um das Wiener Café Landtmann und die Wlaschek-Stiftung beobachtet. Die Stiftung klagte den Gastronomen Berndt Querfeld wegen offener Mietzahlungen und reichte Räumungsklage ein.

Der nächste Gerichtstermin war für 4. Februar angesetzt, neun Monate nach der letzten Sitzung. Nun wurde der Prozess auf Ansuchen der Stiftung auf 13. Mai vertagt, erzählt Querfeld. Diese habe mit dem aktuell hohen Infektionsrisiko argumentiert, was ihn erstaune, stützten sich ihre Argumente doch wesentlich darauf, dass die Seuche nicht auf das soziale Leben seiner Kaffeehausgäste durchschlage.

Verständnis für Hilferufe der Vermieter hat er keines. Wären diese gewerblicher Natur, hätten sie ja auf staatliche Hilfen Anspruch, gibt Querfeld zu bedenken – "nicht aber als Vermögensverwalter, denen es nur um Zinsen für ihr eingesetztes Kapital geht".

Eingebaute Strickfehler

Ohne Schaden und Schmerz komme keiner aus dieser Krise, meint Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch. In den allermeisten Fällen hätten sich Vermieter und Mieter jedoch geeinigt. "Es ist ein Biotop, in dem niemand ohne den anderen kann. Jeder weiß, dass man nach der Pandemie wieder miteinander leben können muss."

Nach den jüngsten Urteilen sehe es aber nur nach Verlierern aus: Händler, die Förderungen zurückzahlen müssen, Vermieter ohne Anrecht auf Miete. Daher sei intelligente Politik gefordert, für die man sich emotionslos an viele Tische setzen müsse.

"Das bestehende System hat eingebaute Strickfehler", sagt Mayer-Heinisch. Endlose juristische Auseinandersetzungen drohten, die alle Beteiligten überlasteten. "Wir wollen einfach nur Händler sein." (Verena Kainrath, 2.2.2022)