Am Tatort in Villach legen viele Menschen Kerzen und Blumen ab.

Foto: APA/Eggenberger

Es ist ein durch und durch ungewöhnlicher Fall, der sich am Wochenende in Villach zugetragen hat: Eine 37-jährige Frau gestand, eine 43-Jährige und deren fünfjährigen Sohn mit ihrem Auto niedergefahren und vorsätzlich getötet zu haben. Beim Vater des getöteten Kindes soll es sich um den Ex-Mann der mutmaßlichen Täterin handeln. In ihrer Vernehmung habe die Frau von Rache und Eifersucht gesprochen. Sie hatte sich nach der Tat selbst verletzt und muss noch immer im Krankenhaus behandelt werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordverdachts.

Ungewöhnlich ist nicht nur die mutmaßliche Mordwaffe – das Auto –, sondern dass die Täterin weiblich ist und von Motivlagen spricht, die man sonst aus Fällen kennt, in denen Männer ihre (ehemaligen) Partnerinnen töten. In diesem Zusammenhang wird vor allem in den letzten Jahren der Begriff Femizid bemüht. Könnte man aber auch in diesem Fall von einem solchen sprechen?

Wenn Frauen Femizide begehen

Die kurze Antwort lautet: Prinzipiell ja, aber ...

"Generell können Femizide auch von weiblichen* Täter*innen begangen werden, wenn die Tötungen einen Geschlechtsbezug aufweisen, also in Verbindung stehen mit der Frauen zugeschriebenen minderwertigeren gesellschaftlichen Rolle", sagt Isabel Haider vom Institut für Strafrecht und Kriminologie. Bei bestimmten Manifestationsformen von Femiziden in Zusammenhang mit traditionellen Praktiken – etwa Mitgift-bezogene Femizide oder sogenannte Ehrenmorde – würden beispielsweise Frauen* die Handlungen durchführen oder sich an diesen beteiligen.

Was nicht ausgeblendet werden darf

Allerdings sei es für die Verwendung des Begriffs wichtig, die gesellschaftlichen und politischen Umstände nicht außer Acht zu lassen. "Der Begriff Femizid beinhaltet eine politische Komponente, indem er auf systematische Gewalt als Mittel zur Aufrechterhaltung der Hierarchie und Ungleichstellung zwischen den Geschlechtern hinweist", sagt Haider, die derzeit Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist. Die Geschlechtsbezogenheit von Gewalt gegen Frauen und Femiziden entstehe somit nicht in der Einzelfallbetrachtung anhand bestimmter Merkmale, sondern in der Masse ähnlicher Fälle. "Ein bloßer Vergleich eines Frauenmords durch einen Mann wegen Eifersucht mit einem Frauenmord durch eine Frau wegen Eifersucht würde die gesellschaftlichen und politischen Umstände, in denen sie passieren, ausblenden."

Unterschiedliche Reaktionen auf Gewalt

Gesellschaftliche Faktoren, damit sind etwa Geschlechterrollen, die Akzeptanz von Gewalt zur Lösung von Konflikten in Zusammenhang mit Männlichkeitsbildern oder ein ungleicher Zugang zu wirtschaftlichen, politischen und anderen einflussnehmenden Ressourcen gemeint. Diese Faktoren würden Haider zufolge die Entstehung und die Reaktion auf Gewalt beeinflussen. "Der Begriff Femizid bringt somit zum Ausdruck, dass die tödliche Gewalt an Frauen zu 90 Prozent durch Männer begangen wird und zu 80 Prozent durch einen Mann, der mit dem Opfer in einer Intimbeziehung war oder der Familie angehörte." Diese genauen Prozentwerte nennt Haider deswegen, weil sie Mordversuche an weiblichen Opfern auf ihre Geschlechtsbezogenheit untersuchte.

Bei der Betrachtung der Frage sei deswegen auch wichtig zu hinterfragen, wie auf Gewalt reagiert wird. Der enorme Unterschied, wie viel mehr Gewalt durch Männer im Vergleich zu anderen Geschlechtern begangen wird, werde "im Grunde einfach als normal hingenommen. Die Gewalt wird immer noch so behandelt, als würde sie lediglich aus einzelnen interpersonellen Konflikten entstehen, losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext", sagt Haider.

Präzise Begriffe

Dass auch Frauen Morde begehen, ist klar. "Diese Tatsache ist weder zu leugnen noch herunterzuspielen." Aus den genannten Gründen mache es aber Sinn, innerhalb der Mordkriminalität verschiedene Kategorien zu benennen, schlägt die Expertin vor. Präzise Begriffsabgrenzungen seien wichtig für das Verständnis von Phänomenen, nicht um die Morde untereinander als gefährlicher oder wichtiger einzuordnen.

Es gebe zum Beispiel auch Frauenmorde durch Männer, wo es keinen Geschlechtsbezug gebe – zufällige Opfer im öffentlichen Raum. Es gebe Frauenmorde, die durch Frauen begangen werden. "Und es gibt Femizide als Begriff für eben eine Kategorie, wo die Geschlechtsbezüge durch die ausgeführten gesellschaftlichen und politischen Umstände eine Rolle spielen und die fast ausschließlich durch Männer begangen werden." (Lara Hagen, 2.2.2022)