Außenminister Alexander Schallenberg (links) und sein armenischer Amtskollege Ararat Mirsojan legten Blumen am Genozid-Denkmal in Eriwan nieder.

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Nur etwas mehr als ein Jahr ist seit dem Krieg um die Kaukasusregion Bergkarabach vergangen, bei dem mehr als 6.500 Menschen ihr Leben verloren hatten. Die Waffen schweigen immer noch nicht beständig, erst im Jänner ist es wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen an der Grenze zwischen den ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan gekommen. Auch beim Besuch von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg am Mittwoch in der armenischen Hauptstadt Eriwan war der Konflikt daher ein Schwerpunkt der Gespräche.

2021 sei er zum letzten Mal hier gewesen, sagte Schallenberg auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem armenischen Amtskollegen Ararat Mirsojan. Seither habe sich die Stimmung geändert, er verspüre wieder mehr Mut im Land. Ein Zeichen dafür sind für Schallenberg auch die jüngsten Gespräche zwischen Eriwan und Ankara, die die eingefrorenen Beziehungen wieder in Gang bringen sollen.

Die Türkei war im Krieg Schutzmacht Aserbaidschans und trug wesentlich dazu bei, dass Armenien große Teile des umstrittenen Gebiets verlor. Zudem sind die bilateralen Beziehungen zu Ankara schwer durch den Genozid an hunderttausenden Armenierinnen und Armeniern durch das Osmanische Reich belastet.

Wirtschaftliche Interessen

Armenien selbst wiederum ist militärisch und wirtschaftlich stark von Russland abhängig. Auch den Waffenstillstand im Jahr 2020 hatte Moskau vermittelt. In Armenien empfanden ihn dennoch viele als Niederlage, was Premierminister Nikol Paschinjan nach dem Einstellen der Kampfhandlungen schwer unter Druck gesetzt hatte. Mittlerweile wurde seine Regierung allerdings durch Neuwahlen im Amt bestätigt.

Eine Öffnung und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen wären vor allem in ökonomischer Hinsicht für beide Seiten interessant: für den kleinen kaukasischen Binnenstaat Armenien ebenso wie für die wirtschaftlich in die Krise geratene Türkei. Auch Mirsojan zeigte sich bezüglich der jüngsten Gespräche hoffnungsvoll: Bisher habe es nur ein einziges Treffen gegeben, bei dem noch nicht alle strittigen Fragen geklärt werden konnten, doch gebe es positive Signale, dass der Dialog weitergeführt werden kann.

Was Verhandlungen mit Aserbaidschan selbst betrifft, so erhofft sich Armeniens Außenminister Mirsojan Fortschritte innerhalb der sogenannten Minsk-Gruppe der in Wien ansässigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Europa. Gewaltverzicht und das Selbstbestimmungsrecht der Völker müssten dabei jedoch an erster Stelle stehen, so Mirsojan, der die seiner Ansicht nach antiarmenische Rhetorik in Baku kritisierte.

Streit um Karten und Gefangene

Zu den Knackpunkten in den Gesprächen der Konfliktparteien zählen die etwa 50 verbleibenden Kriegsgefangenen, deren Freilassung Armenien von Aserbaidschan fordert. Aserbaidschan wiederum verlangt von Armenien die Herausgabe von Karten, in denen die genaue Lage von Landminen im Konfliktgebiet eingezeichnet ist. Doch wer tatsächlich als Kriegsgefangener eingestuft wird und ob das Kartenmaterial bereits vollständig übergeben wurde oder nicht, darüber herrscht nach wie vor Uneinigkeit.

Vor diesem Hintergrund bezeichnete auch Österreichs Außenminister Schallenberg im Gespräch mit Journalisten den Bergkarabach-Konflikt als "offene Wunde". Die EU sei an einem "friedlichen, stabilen und prosperierenden" Südkaukasus interessiert. Allerdings müssten dazu "sowohl Armenien als auch Aserbaidschan willens sein". Am Abend eröffnete Schallenberg dann im Rahmen der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit offiziell ein Kooperationsbüro der Austrian Development Agency (ADA) in Eriwan.

Zuvor hatte er mit seinem Amtskollegen Mirsojan am Genozid-Denkmal in der Hauptstadt Blumen und Kränze niedergelegt. Am Donnerstag steht noch ein Treffen mit dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan auf dem Programm. (Gerald Schubert aus Eriwan, 2.2.2022)