Fotoscheu: Burial alias William Emmanuel Bevan.

Foto: Hyperdub

Die beiden Alben des britischen Produzenten William Emmanuel Bevan alias Burial, Burial und Untrue, von 2006 und 2007 gelten als Klassiker. Sie untermauerten die Stellung des britischen Hyperdub-Labels als bis heute wichtige Anlaufstelle für elektronische Musik. Sie überführten die verschiedenen Genres zwischen alter Rave-Euphorie und damals noch frischen, vor allem über Piratenradios verbreiteten Clubstilen wie Dubstep, Garage, Jungle, Two Step, aber auch Ambient auf eine zeitlose Ebene.

Auf dieser wird Tanzbarkeit zwar noch mitgedacht. Allerdings kann man die krude zusammengeschusterten, knacksenden, knisternden und krachenden Tracks, deren Patina mit zugespielten Geräuschen von Plattenspielernadeln in Vinyl-Auslaufrillen erzeugt wird, am besten unter Kopfhörern genießen.

Burial - Topic

Um ein in Burials Fall wie die Faust aufs Auge passendes Klischee zu bedienen: Wir hören schattseitige, atmosphärische Tracks für nächtliche Fahrten durch menschenleere Innenstädte und schlechtbeleuchtete Gewerbegebiete am Rande der Metropolen. Die Grundstimmung ist düster und melancholisch. Der Hall in der Tiefe des Raums sowie aus dem Nirgendwo kommende Stimmen und Gesangsfetzen, etwa in alten Tracks wie U Hurt Me oder Gutted vom Debüt, sind seither der Signature-Sound des medienscheuen Südlondoner Produzenten: Nenne es den Klang der Einsamkeit, nenne es den Soundtrack der Kifferparanoia.

Der 42-jährige hat auf Antidawn Ambientmusik in den Vordergrund gerückt. Das Gefühl der Entfremdung durchzieht weiterhin die Stücke. Die Euphorie früherer Tage klingt in Spuren noch immer durch dicken Nebel. Vergeblich. Gesangsstimmen werden hochgepitcht, um krude weggedreht zu werden. Burial hat nach dem großen Fall-out die Stadt verlassen. Er durchstreift menschenleere Landschaften. Man sieht die Hand vor Augen nicht.

Burial - Topic

Beats tauchen nur noch in Spurenelementen auf. Es kracht im Unterholz, jemand räuspert sich. Auf der Suche nach menschlichem Kontakt hört man aus dem Transistorradio nur noch ab und zu die Signale einer untergegangenen Zivilisation. Das Grundgeräusch ist Rauschen. Die elf Minuten des Eröffnungsstücks Strange Neighbourhood werfen die Hörerschaft auf sich selbst zurück. Der Brustkorb schnürt sich zusammen. Beklemmung, dazwischen eine ferne Kirchenorgel: "When I was young I just needed to get away. Free, beyond everything." Hier kommt die Kälte. Ein Album des Jahres. (Christian Schachinger, 2.2.2022)