Bald dürften die Wiener Gespräche zur Rettung des Atomdeals mit dem Iran zu Ende sein.

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Die Ansage, die Iran-Atomgespräche in Wien gingen in die Endphase, sei "keine Voraussage, keine Drohung, keine künstliche Deadline, kein Ultimatum", sondern eine Darstellung von Fakten, hielt ein nicht mit Namen zitierbarer US-Außenministeriumsbeamte bei einem Journalisten-Briefing zu Beginn der Woche fest: Nach einem zehnmonatigen Verhandlungsprozess, der die 2018 ausgetretenen USA in den Atomdeal und den Iran in dessen Regelwerk zurückbringen soll, sei es Zeit für politische Entscheidungen.

Vergangenen Samstag wurden die Gespräche im Wiener Hotel Coburg für ein paar Tage unterbrochen: Die Verhandler sollen ihre Hauptstädte konsultieren. Mit einer Fortsetzung wurde nach circa einer Woche, also demnächst, gerechnet. Die "Vienna Talks", mit denen US-Präsident Joe Biden den Austritt der USA unter Donald Trump aus dem Deal revidieren will, laufen seit April 2021 und waren nach den Wahlen im Iran von Juni bis Dezember angehalten. Nach einem negativen Start im Dezember, bei dem eine neue iranische Delegation die Parameter völlig neu aufzustellen schien, hat man im Jänner Fortschritte gemacht, heißt es. Nun geht es ans Eingemachte – wo die Chancen auf eine Einigung noch immer so vage sind, dass sie niemand prozentuell beziffern will: die Rücknahme von US-Sanktionen gegen den Iran und der Stopp – und die Rückwicklung – der iranischen Verletzungen des Deals, die Teheran nach dem US-Austritt begonnen hat.

Wer macht was wann?

Eine wichtiger Verhandlungspunkt dabei ist das "Sequencing", also die Abfolge der Schritte auf beiden Seiten – und wer den ersten macht. Zu Beginn der Verhandlungen war Teheran ja sogar der Meinung, dass die USA die unter Trump wieder und neu verhängten Sanktionen komplett aufheben muss und danach erst der Iran dran ist.

Teheran hat die Urananreicherung massiv beschleunigt, reichert nun teilweise auf 60 Prozent an – wozu es keinen zivilen Zweck gibt – und arbeitet an und mit modernen potenten Gaszentrifugen, die es laut Deal nicht in Gebrauch haben dürfte. Durch die hohe Anreicherung mag Teheran, so die Innenansicht, Druck auf die anderen Verhandler ausgeübt haben: Der Iran ist nur Wochen davon entfernt, genügend angereichertes Uran angesammelt zu haben, um daraus Material für eine Atombombe herstellen zu können. Andererseits führt genau das dazu, dass die USA – und auch die mitverhandelnden E3: Großbritannien, Frankreich und Deutschland – betonen, dass sie nicht ewig in Wien reden können, wenn inzwischen das iranische Atomprogramm durch die Decke fährt.

Zu lösen ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, was mit dem inzwischen angereicherten Uran geschieht. Beim 2015 ebenfalls in Wien ausgehandelten JCPOA (Joint Plan of Action, so heißt der Atomdeal offiziell) wurde es von Russland übernommen. Die Wiener Verhandlungen scheinen überhaupt eine Nische zu sein, in der die US-russische Verständigung auf ein Ziel – die Rettung des Atomdeals – trotz der Ukraine-Krise und trotz der völlig unterschiedlichen Einstellung zum Iran weiter funktioniert. Auch der russische Verhandler, der Botschafter an der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) in Wien, Mikhail Ulyanov, hat in Tweets den Iran zur Entscheidung gedrängt.

Ablehnungsfronten

Weiter auf dem Tisch liegt die iranische Forderung nach schriftlichen Zusicherungen, nach Garantien, dass, falls die Demokraten in den USA die nächsten Wahlen verlieren, die neue US-Regierung den JCPOA nicht genauso aufkündigt wie Donald Trump 2018. Genau das haben Republikaner bereits in Aussicht gestellt. Aber auch im Iran gibt es noch die Ablehnungsfront, aus der die neue Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi kommt. Die Entscheidung liegt aber letztlich beim geistlichen Führer, Ali Khamenei.

Zuletzt haben die Iraner direkte Gespräche mit den USA nicht ausgeschlossen. Noch verhandeln die beiden Staaten ja nur indirekt, mit der EU, die die Gespräche koordiniert, und den E3 als Zwischenträger. Eine weitere Partei des JCPOA ist China.

Versuchte der Iran im Dezember neue Regeln aufzustellen, so war auch bei den US-Verhandlern ursprünglich das Ziel, mit einem "neuen und längeren" Deal aus Wien zurückzukommen. Mittlerweile geht es nur um die Rückkehr zu 2015, was Biden von seinen Gegnern scharf angekreidet werden dürfte. Dazu, wie hart man dem Iran entgegentritt, gab es Differenzen im US-Team selbst, zwei seiner Mitglieder schieden aus Unzufriedenheit aus, meldete das "Wall Street Journal".

Auch ein restaurierter Atomdeal – wenn es ihn denn geben wird – wird nichts zum iranischen Raketenprogramm sagen (es kommt 2015 nur im Anhang vor) und nichts zur iranischen Hegemonialpolitik in Nahen Osten. Und auch die Ablaufzeiten des Deals – gestaffelt bis 2030 – bleiben gleich. Dennoch erkennen manche Kritiker an, dass der JCPOA besser als gar nichts ist, um Irans Anreicherung einzudämmen. (Gudrun Harrer, 3.2.2022)