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Diese Satellitenaufnahme zeigt russische Truppen auf dem Übungsgelände Pogonowo nahe der ukrainischen Grenze.

Foto: AP

Die Szene hatte Symbolcharakter: Wladimir Putin empfing im Kreml Ungarns Premier Viktor Orbán, einen seiner engsten Verbündeten in der EU. Orbán selbst hatte seinen Besuch gar als "Friedensmission" bezeichnet. Und doch hielt der Kreml-Chef seinen Besucher auf gehörigen Abstand.

Putin jedenfalls zeigte sich mit der Antwort der USA und der Nato auf den weihnachtlichen Wunschzettel des Kreml unzufrieden. Washington und Brüssel haben, wie die spanische Zeitung "El País" am Dienstag mit der Veröffentlichung der eigentlich vertraulichen Texte demonstrierte, die Hauptforderungen Russlands nach einem Sicherheitsvertrag und einer Garantie für den Nichtbeitritt der Ukraine zur Nato abgelehnt.

Kreml: Kiew als Aggressor

Der Nato-Beitritt der Ukraine sei ein Sicherheitsrisiko für Russland, führte Putin aus: "In der Doktrin der Ukraine ist festgeschrieben, dass sie die Krim zurückholt, möglicherweise auch mit militärischen Mitteln." Die Krim sei jedoch russisches Gebiet. Wenn die Ukraine nun angreife, "sollen wir dann gegen die Nato kämpfen", entrüstete sich der russische Präsident.

Wie Russland auf die Ablehnung seiner Sicherheitsforderungen reagieren wird, lässt der Kreml bislang offen. Dessen Sprecher Dmitri Peskow erklärte, eine Reaktion werde "zu gegebener Zeit" erfolgen. Damit bleiben auch die Spannungen weiter hoch. Angesichts der russischen Militärmanöver im Westen des Landes und in Belarus (Weißrussland) ist auch die militärische Lage weiter explosiv.

Die "Friedensmission" Orbáns brachte jedenfalls keine sichtbaren Ergebnisse – allenfalls für die ungarische Staatskasse, denn der 58-Jährige, der dem Kreml-Chef seinen Wahlsieg im April prophezeite, unterschrieb in Moskau einen Gasvertrag bis 2036, der Budapest den Rohstoff laut Putin "zu einem Fünftel des Marktpreises in Europa" sichert.

Russische Medien spekulierten bereits, ob Orbán, der sich in Moskau betont dankbar zeigte, im Gegenzug Putin versprochen habe, bei den EU-Sanktionen zu bremsen – schließlich müssen Maßnahmen einstimmig beschlossen werden. Offiziell wurde das Thema Sanktionen allerdings nicht angesprochen.

Die USA machen indes beim Truppenaufrüsten in Osteuropa mit. Am Mittwoch genehmigte US-Präsident Joe Biden die Verlegung von 3000 Armeeangehörigen. Die Einheiten – von denen sich 1000 bereits in Europa befinden – machen sich auf den Weg nach Deutschland, Polen und Rumänien. Damit will das Weiße Haus seinen Nato-Verbündeten den Rücken stärken – aber gleichzeitig vermeiden, Soldaten in die Ukraine zu schicken.

Johnson-Party in Kiew

Derweil schmiedet Kiew neue Allianzen. Präsident Wolodymyr Selenskyj empfing Polens Premier Mateusz Morawiecki und Großbritanniens Boris Johnson – und setzte im Gegensatz zu Moskau auf Nähe zu den Gästen. So eröffnete Johnson das Treffen mit einem langen Handschlag und Schulterklopfen.

Der britische Premier, der in London wegen seiner Party-Affäre unter Druck steht, nutzte die Gelegenheit, um mit außenpolitischen Parolen zu punkten. So versprach er der Ukraine britischen Beistand im Falle eines russischen Angriffs, sicherte Kiew neue Waffenlieferungen zu und warnte Russland vor einem "schmerzvollen, gewalttätigen und blutigen" militärischen Abenteuer, da die ukrainische Armee "erbitterten" Widerstand leisten werde.

Eigentlich sollten in Kiew auch Pflöcke für das neue politische Dreieck zwischen Großbritannien, Polen und der Ukraine bekanntgegeben werden. Wegen der Corona-Erkrankung von Außenministerin Liz Truss wurde die Unterzeichnung zunächst verschoben.

Aus den bisherigen Erklärungen geht aber hervor, dass es sich um ein Sicherheitsbündnis handeln soll. Alle drei Länder zählen zu den schärfsten Kritikern Moskaus. Offenbar will die Troika ihre Handlungen koordinieren, um den Druck auf Russland zu erhöhen. Auch der niederländische Premierminister Mark Rutte stattete Selenskyj am Mittwoch einen Besuch ab und sicherte ihm Hilfe in Sachen IT-Sicherheit zu.

Nach Johnsons Intervention in Kiew telefonierte der britische Premier auch mit Putin und warnte ihn dabei vor einem Angriff auf die Ukraine. Jeder weitere russische Einmarsch in ukrainisches Gebiet wäre eine tragische Fehleinschätzung, so Johnson nach Angaben eines Sprechers. Alle europäischen Demokratien hätten das Recht auf eine Nato-Mitgliedschaft. Der Kreml verwies nach dem Telefonat auf die bekannten, von Moskau verlangten Sicherheitsgarantien. Zusatz, einmal mehr: Die Nato reagiere nicht "angemessen auf die berechtigten Bedenken Russlands". Auch der italienische Premier Mario Draghi ließ sich am Mittwoch in den Kreml verbinden. (André Ballin aus Moskau, red, 2.2.2022)