Über die Bedeutung des "N" in "MNS" – Mundnasenschutz – diskutieren der wegen Amtsmissbrauchs angeklagte niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ, auf dem Bild links) und Verteidiger Manfred Ainedter zum Prozessauftakt in St. Pölten wohl nicht.

Foto: Regine Hendrich

St. Pölten – Landesrat in Niederösterreich scheint der beste Posten der Welt zu sein. Man muss nichts können, nichts lesen, nichts hören, nichts nachfragen. Und sollte man doch einmal eine Idee haben, kann die ohne große Aufregung von Untergebenen abgedreht werden. So stellt zumindest Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) seinen Beruf gegenüber dem Schöffengericht unter Vorsitz von Silvia Pöchacker dar, vor dem sich der 56-Jährige seit Mittwoch in St. Pölten wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs verantworten muss.

Es geht um die Flüchtlingsunterkunft Drasenhofen (Bezirk Mistelbach), die unter Waldhäusls Ägide eingerichtet wurde. Aus Sicht von Ankläger Michael Schön von der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft soll der Politiker dabei seine Befugnisse übertreten haben. Denn die Einrichtung an der Grenze zu Tschechien sei für "unbegleitete minderjährigen Fremde", so der Fachausdruck, nicht geeignet gewesen. Sie war noch nicht vollständig für die unter 18-Jährigen eingerichtet, Waldhäusl habe mit illegalen Weisungen extra verlangt, dass ein Bauzaun von Stacheldraht gekrönt wird, ein Wachhund patrouilliert und eine Kamera den Eingang überwacht.

"Wissentlichkeit" für Amtsmissbrauch erforderlich

Der von Manfred Ainedter vertretene Angeklagte bekennt sich "nicht schuldig". Ainedter sekundiert in seinem Eröffnungsvortrag: "Amtsmissbrauch setzt nicht nur Vorsatz, sondern auch Wissentlichkeit voraus", und so sieht er schon aus rechtlichen Gründen das Delikt bei Waldhäusl nicht erfüllt. Soll heißen: Selbst wenn etwas Ungesetzliches passiert sein sollte, habe der Politiker nicht gewusst, dass es verboten sei.

Darüber hinaus habe sein Mandant aber ohnehin nur das Beste für die 16 "notorischen Störenfriede", die ohne Vorwarnung am 26. November 2018 aus anderen Unterkünften in den Norden Niederösterreichs gebracht wurden, gewollt, ist Ainedter überzeugt. Der Stacheldraht habe nämlich dem Schutz der Jugendlichen gedient: "Der Hund und der Zaun dienten nicht der Einschüchterung, sondern um zu verhindern, dass man hineinkam", argumentiert der Verteidiger.

Eingesperrt sei nie jemand gewesen: Von 16 Jugendlichen hätten gleich acht die Unterkunft wieder verlassen. Einer davon sei mit dem Taxi nach Wien gefahren und beim Handel mit Suchtmittel aufgegriffen worden, führt Ainedter mit gewissem Vergnügen aus, ehe er noch den Privatbeteiligtenvertretern Georg Zanger, Clemens Lahner und Nadja Lorenz vorwirft, "mit allen Wassern gewaschene Anwälte" zu sein.

Betroffene fordern bis zu 10.000 Euro

Obwohl Lahner Ainedter noch geholfen hat, dessen neues Mobiltelefon lautlos zu stellen, ist die Stimmung also nicht sonderlich gut. Zanger setzt zu einem Eröffnungsplädoyer an, das für Privatbeteiligte in der Strafprozessordnung aber nicht vorgesehen ist. Vorsitzende Pöchacker stoppt ihn auf Ainedters Einwand, sodass Zanger lediglich bekanntgeben kann, 10.000 Euro für jeden der von ihm Vertretenen zu fordern. Lahner und Lorenz wollen je 100 Euro.

Waldhäusl selbst betont, Bauer zu sein und von rechtlichen Regelungen wenig Ahnung zu haben. Deshalb habe er auch bei seinem Amtsantritt im April 2018 extra einen Polizeijuristen in seinen Mitarbeiterstab geholt, der mit den zuständigen Fachabteilungen kommunizieren sollte.

"Wenn jemand aus der Fachabteilung sagt: ,Das geht nicht‘, dann wurde es auch nicht umgesetzt", verteidigt der Politiker sich. Er sei vor dem Problem gestanden, dass es unter den jungen Asylwerbern "Unwillige" und "notorische Unruhestifter" gegeben habe, mit denen es zu Problemen gekommen sei. Daher habe er ein Konzept ausarbeiten lassen, wo man diese unterbringen solle – das Ergebnis war Drasenhofen.

Tücke der doppelten Verneinung

Das habe rasch eröffnet werden müssen, da der öffentliche Druck nach kriminellen Vorfällen mit Flüchtlingen so groß gewesen sei. Das Konzept der doppelten Verneinung bereitet Waldhäusl bei der Argumentation Probleme: "Wenn ich verhindern kann, dass eine Vergewaltigung weniger ..." beginnt er, um dann mit "Die Leonie könnte noch leben" fortzufahren.

In die Erstellung des Unterbringungskonzepts sei er nicht involviert gewesen, gelesen habe er es auch nie, beteuert der Angeklagte. Er habe über seine Untergebenen immer alles mit den Fachabteilungen abklären lassen, wiederholt er. Ob er Dinge hinterfragt habe, will die Vorsitzende wissen. "Es ist in einem Regierungsbüro nicht üblich, dass man nachfragt", lautet die Antwort.

Er habe die Unterkunft auch selbst besichtigt und habe nur von fehlenden Sportgeräten erfahren. Aus seiner Sicht sei Drasenhofen aber "absolut in Ordnung" gewesen.

Am Donnerstag wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 2.2.2022)