Wie wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn funktioniert, soll besser vermittelt und gefördert werden.
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Mit zwei neuen Förderschienen will die Stadt Wien Projekte fördern, die der im Zuge der Pandemie sichtbarer gewordenen Wissenschafts- und Demokratieskepsis entgegenwirken. Durch den "Vom Wissen der Vielen"-Call fließen in zwei Jahren 1,1 Millionen Euro in neue Ideen zur Forschungsvermittlung, die etwa auch auf Stadtgebiete zielen, in denen durchschnittlich mehr wissenschaftsferne Personen leben. 600.000 Euro investiere man in die einjährige Förderschiene "democracy in progress", hieß es am Mittwoch.

Mit der Förderung wolle man "schnell und unkompliziert jungen Teams ermöglichen, tätig zu werden", sagte die Wiener Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronica Kaup-Hasler (SPÖ), bei der Präsentation der ab Mitte des Monats für Einreichungen offenen Initiative. Corona und Co. hätten eindrücklich gezeigt, dass "gerade in Österreich doch große Skepsis" gegenüber der Wissenschaft herrsche. In anderen Ländern gebe es teils deutlich mehr Vermittlungstätigkeit schon ab dem Kleinkindalter. Vielfach sei man hierzulande aber "weit abgeschlagen", dem wolle man nun ein Stück weit entgegenwirken, sagte Kaup-Hasler: "Mögen andere folgen."

Studie zu Wiener Wissensräumen

In einer Studie hat die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt von der Universität Wien erhoben, wie es um derartige Angebote in der Stadt bestellt ist. Zwar gebe es bereits einiges, das meiste jedoch in jenen Stadtteilen, in denen tendenziell mehr wissenschaftsaffine Menschen leben. So lautet eine Erkenntnis aus der Untersuchung mit dem Titel "Die Stadt als Wissensraum".

Bestimmte Gruppen in der Bevölkerung seien "bisher nicht abgeholt worden", sagte Felt – darunter viele Jugendliche, Seniorinnen und Senioren sowie junge Erwachsene. Wolle man jedoch die gesellschaftlichen Herausforderungen gemeinsam angehen, müsse man möglichst alle Bevölkerungsgruppen mitnehmen, um eine "niederschwellige Nahversorgung sicherzustellen".

Veränderungen im Kenntnisstand vermitteln

"Der Call wird das Problem der Wissenschaftsskepsis natürlich nicht lösen", könne aber ein Schritt dorthin sein, sagte der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna und der Medizinischen Universität Wien. Man sehe einmal mehr, dass Wissenschaftskommunikation auch Förderung braucht. Denn auch in der Forschungsgemeinde war das Verständnis dafür nicht immer stark ausgeprägt, sei aber nun stärker im Entstehen.

Letztlich gehe es nicht darum, sozusagen "nur" Wissen zu vermitteln, man müsse vielmehr auch erklären, wie Wissenschaft funktioniert und wie sich der Kenntnisstand verändert, sagte Klimek. Es gelte, "mehr daran zu arbeiten, den Prozess begreifbar zu machen", meinen sowohl er als auch Forscherin Felt.

Teilhabe an demokratischen Prozessen

Diskussionen über das Impfen, die Covid-19-Maßnahmen oder die Klimakrise "werden uns weiter begleiten". Die Wissenschaft grabe sich hier laut Klimek "nicht ideologisch ein", sondern wolle helfen, gesellschaftliche Gräben zu überwinden. Das sei aber ohne gute Einbindung der breiten Öffentlichkeit und aufgeschlossene politische Entscheidungstragende unmöglich. Die Pandemie habe hier schon einiges ins Rollen gebracht, was etwa das Standing von daten- und evidenzgetriebener Politik angehe, betonte der Komplexitätsforscher.

Für Kaup-Hasler, deren Wissenschaftsetat sich aktuell auf knapp 26 Millionen Euro belaufe, soll auch der Call mit den Titel "democracy in progress – Beiträge zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen" gesellschaftlich etwas bewegen, wenn es etwa um die Teilhabe der Bevölkerung an demokratischen Prozessen und das Vertrauen in Institutionen geht. Hier hätten auch die politischen Enthüllungen der vergangenen Jahre und Monate gezeigt, dass Österreich noch einen längeren Weg zu beschreiten habe. (APA, red, 2.2.2022)