Klick-Klack-Kugeln, die man im Schritt von Fleetwood-Mac-Chef Mick Fleetwood hängen sieht, waren in den 1970er-Jahren offenbar nicht nur bei Kindern beliebt. Sie wollten wohl auch Eindruck schinden.

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Am 4. Februar 1977 wird Österreich von Bundeskanzler Bruno Kreisky in dessen dritter Amtsperiode in SPÖ-Alleinführung regiert. Daddy Cool von Boney M. hält sich seit Wochen auf Platz eins der heimischen Hitparade. Bald werden Apple und Commodore ihre ersten "Mikrocomputer" auf den Markt bringen. Das Internet wird erfunden werden und Nastassja Kinski nackte Haut im Tatort zeigen.

Hansi Hinterseers Skirennläufer-Karriere neigt sich dem Ende zu, und auch die zu ihm gehörenden Moonboots zählen langsam zum alten Eisen – bevor beide ab Mitte der 1990er-Jahre ein Comeback feiern. In den Discos wird bald das Saturday Night Fever pandemisch grassieren, Punk, Hip-Hop und New Age scheitern am Türsteher. Bei Sex Pistols denkt man sowieso noch eher an Beate Uhse als an Johnny Rotten. Was für spannende Zeiten!

In Los Angeles wird am 4. Februar 1977 eines der erfolgreichsten Alben aller Zeiten veröffentlicht. Die Songsammlung Rumours von der Anfang der 1970er-Jahre von London und dem Bluesrock (Black Magic Woman, Albatross, Oh Well ...) zum massenkompatiblen Pop und nach Los Angeles übersiedelten britisch-amerikanischen Band Fleetwood Mac zählt mit 40 Millionen verkauften Tonträgern zu den absoluten Klassikern des Pop.

Fleetwood Mac

Nach mittlerweile 45 Jahren findet man Rumours und vor allem seinen Überhit Dreams so wie sonst nur Pink Floyds The Dark Side of the Moon von 1973 noch immer in den US-Billboard-Charts. Zuletzt verkaufte sich Rumours Ende 2020 (das erste Jahr der Pandemie, wir erinnern uns!) dank diverser Tiktok-Skater-Videos in Massen und beförderte das Lied sogar in die Top-Positionen der Hitparade.

Es handelt sich bei den Songs des Albums um klassische, perfekt handgemachte und immergrüne Popsongs, die allerdings unter katastrophalen Bedingungen entstehen. Nach einer sechsmonatigen Tournee und zwölf teils planlosen Monaten im Studio haben die fünf Fleetwood Macs mit privaten Trennungen und technischen Desastern zu kämpfen.

Die Tonbänder mit den mühsam eingespielten und komponierten Songs haben auch wegen täglicher Drogenpartys gelitten und müssen restauriert werden. Sängerin Stevie Nicks und Gitarrist und Sänger Lindsey Buckingham haben sich aufgrund einer Affäre von Stevie Nicks mit dem Lichttechniker der Band frisch getrennt, ebenso Keyboarderin und Sängerin Christie und Bassist John McVie. Schlagzeuger und Namenspatron Mick Fleetwood hat sich ebenfalls scheiden lassen. Er beginnt eine Affäre mit Stevie Nicks, die zu dem Zeitpunkt eigentlich auch mit Don Henley von den Eagles zusammen ist.

Die Fetzen fliegen

Im Studio befetzt man sich mit gegeneinander komponierten Songs wie Go Your Own Way,Second Hand News,Never Going Back Again oder Don’t Stop: "Don’t stop thinking about tomorrow / Don’t stop, it’ll soon be here / It’ll be better than before / Yesterday’s gone, yesterday’s gone."

Christine McVie hat den letztgenannten Song für ihren Ex geschrieben, Lindsey Buckingham ihn für seine Ehemalige gesungen. Das gemeinsam im Studio weitgehend ohne Anwälte und Personenschutz verbrachte Jahr wird nicht immer eines sein, an das sich die Beteiligten gern erinnern.

Ähnlich wie auch bald darauf die etwas weniger toxisch bezüglich Scheidungen in der Band vorrückenden Abba im kalten Schweden geht es bei Fleetwood Mac auf Rumours im sonnigen Kalifornien um traurige und bittere Erwachsenenangelegenheiten. Die werden zu durchwegs fröhlichen und nur manchmal etwas traurig-angeranzten Melodien verhandelt. Möglicherweise verdankt sich der anhaltende Erfolg des Albums der Musik-Text-Schere: "Liebchen brach dir Treue und Schwur / Sage, Bajazzo, was weinest du nur? / Blicke aus Leid und Tränen empor: / Tanze, tanze, du armer Tor!" (Das Lied ist nicht von Fleetwood Mac, trifft es aber.)

Fleetwood Mac

Wie schon angedeutet: Zusätzlich befeuert wird die ganze Angelegenheit vom damals wie noch heute boomenden Marschierpulver Kokain, siehe das Lied Gold Dust Woman. Kokain, so Mick Fleetwood Jahrzehnte später in einem Interview, sei ein Fingerzeig Gottes. Er wolle bestimmten Menschen damit sagen, dass sie zu viel Geld und Hirnschmalz zu verbrennen haben. Eine Schneekuppe auf einem Schweizer Berggipfel geht sich locker aus. Nachdem man sich täglich vom Abend weg bis weit nach Mitternacht das Nasenbein perforiert hat und nicht gerade kollabiert ist, wird über die mittleren Frequenzen des Bassverstärkers oder darüber diskutiert, wer was über wen in einem Songtext nicht singen darf, es aber trotzdem tut.

Rumours ist ein Meisterwerk. Im Song The Chain vertragen sich dann auch alle Parteien. Hier pulsiert das Leben! Getrennt geht oft auch trotzdem miteinander gut. Dieses Album erzählt davon. (Christian Schachinger, 4.2.2022)