Jetzt rappelt’s schon wieder im Karton, und das nur, weil alle mit ihrem Englisch protzen wollen. Pandemische Ratlosigkeit inkarniert zum Chief Medical Adviser, Factsheets sollen Fakeshit konterkarieren, die österreichische Kanzleisprache geht vor die Hunde.

Dass Herbert Kickl noch nicht zum Chief Aryan Veterinerian aufgestiegen ist, ist nur freiheitlicher Abneigung gegen alles Undeutsche zu danken. Verdient hätt’ er es sich, so wie er die von ihm entwurmten Massen mit seinen rhetorischen Darmspülungen begeistert. Und jetzt der Sideletter!

Der Sideletter ist der Zement, der die koalitionäre Welt zusammenhält.
Foto: APA/REPRO/HANS KLAUS TECHT

Werner "Nullum" Kogler hätte sich einige Kapriolen erspart, hätte er sich rechtzeitig der alten deutschösterreichischen Landesweisheit erinnert "Ein Schriftl ist ein Giftl". Aber es musste ja ein Poisoned Sideletter sein, der nun zum Coffin Nail von Green-Turkey wird. Er ist die schriftliche Bestätigung, dass zwei Partner einander nicht über den Weg trauen, den zum Wohle des Vaterlandes gemeinsam zu beschreiten sie öffentlich gelobt haben. Übrigens: Hat der Bundespräsident den Sideletter mitangelobt, oder wurde auch er nur mit dem Regierungsprogramm abgespeist? Bei einigen Bestellungen hat er doch ein Wörtchen mitzureden. Ein Regierungsprogramm ist bald zusammengeschustert, was davon Jahre später als erfüllt gilt – wen kümmert’s noch.

Begehrlichkeiten

Aber der Sideletter ist der Zement, der die koalitionäre Welt zusammenhält, eine Zimelie, die es vor profanen Augen zu schützen gilt. Auch wenn er anders hieß, soll es ihn immer gegeben haben, und es wird ihn immer geben, solange es Koalitionen gibt. Nur über seine Form kann man streiten, und die Notwendigkeit einer Anpassung an neue Zeitläufe wurde dieser Tage offenbar. Seine ideale, weil nicht schriftliche Form wäre erreicht, existierte er nur in pectoribus der beiden Parteiobleute, also jedem fremden Zugriff unerreichbar, was aber jenes persönliche Vertrauen erforderte, dessen Mangel ihn erst nötig macht. Schade.

Zweitbeste Lösung: Die Parteiobleute kritzeln ihre Begehrlichkeiten auf Zettel, die klein genug sind, dass man sie in den Mund stecken und aufessen kann, wenn um 7 Uhr früh ein frecher Staatsanwalt eine Hausdurchsuchung begehrt. Keinesfalls der Ehefrau zum Spazieren mitgeben! Für Grüne empfiehlt sich Bio-Bütten. Selbstverständlich alles ohne Unterschrift, die Signaturen unter dem letzten Sideletter wären ohnehin nur ein gefundenes Fressen für jeden Paragrafologen. Setzt sich einer der Partner vorzeitig ins Ausland ab, empfiehlt sich ein neuer Sideletter. Der künftige Global Strategist muss sein Exemplar vor dem Stubenhocker aufessen, um eine Veröffentlichung in Dubai auszuschließen.

Aber das Wichtigste bei jeder Form des Sideletterns: Schluss mit diesen offensichtlichen Ämter- und Personenlisten, die einer Legislaturperiode jegliche Spannung rauben, wo subtile Metaphorik die Aufteilung des Landes den Wissenden vorbehalten sein lässt. Wenn schon geschrieben werden muss, dann genügt "Reiche Hure hört gern Radio", und nicht der investigativste Journalist könnte enthüllen, wer im ORF eine Führungsposition besetzen darf. Oder: "Her mit dem Turban im Serail" – wer sollte dahinter vermuten, dass ein Kopftuchverbot in Schulen nur "zur Psychologie der ÖVP" nötig ist?

Der Sideletter ist die Apotheose des Amtsgeheimnisses. Beide werden uns erhalten bleiben. (Günter Traxler, 4.2.2022)