FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl stand am Donnerstag nicht im Fokus der Verhandlungen – es ging um die Ex-Landesbeamtin W.

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Es hätte Drasenhofen nicht gebraucht, damit Frau W. sich wünscht, den Job beim Land Niederösterreich nie angetreten zu haben: Am ersten Tag schon habe sie "bereut, dass ich mich für den Landesdienst entschieden habe", sagt W. am Donnerstag am Landesgericht St. Pölten: In der Behörde habe Chaos geherrscht, Kompetenz sei wenig vorhanden gewesen, schildert die mittlerweile ehemalige Landesbeamtin. Die 54-Jährige ist auf Asylrecht spezialisierte Juristin – und kann nicht fassen, dass sie nun gemeinsam mit dem niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl angeklagt ist.

Beiden wird Amtsmissbrauch vorgeworfen: Die Unterkunft in Drasenhofen, in die Waldhäusl im November 2018 minderjährige Asylwerber, "notorische Unruhestifter", gesteckt hat, hätte den rechtlichen Vorgaben für das Kindeswohl nicht entsprochen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Waldhäusl sagt, er selbst sei Bauer und kein Jurist, er habe sich darauf verlassen, dass die Fachabteilung widersprechen werde, sollte etwas nicht rechtskonform sein.

W. erklärt sich am zweiten Verhandlungstag für unzuständig in der Sache, wie sie in ihrem fast eineinhalb Stunden dauernden Eingangsstatement deutlich macht. Verantwortlich für die Umsetzung des Quartiers in Drasenhofen sei ihr damaliger Vorgesetzter R. gewesen. Neben diesem sei sie im Auto gesessen, als Waldhäusls Mitarbeiter sie angerufen habe: "Der Herr Landesrat möchte einen Stacheldrahtzaun – mit dreifach Stacheldraht."

Stacheldrahtanruf

Sie habe den am Steuer sitzenden Chef gefragt, ob sie das dem Betreiber der Unterkunft weiterleiten soll – und dieser habe nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: "Ja, aber das wird halt eine schlechte Presse geben", wobei die Angeklagte ihre Stimme einige Töne nach oben schraubt. In seinem Beisein habe sie dann auch den Betreiber angerufen und ihm die Stacheldrahtmontur aufgetragen.

Richterin Silvia Pöchacker möchte dann wissen, ob sie denn keine Bedenken gehabt hätte, eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit Stacheldraht auszustatten. Die hatte sie nicht, weil sie Juristin sei – und "wenn R. als Experte für Kinder- und Jugendhilfe sich Sorgen macht, dass es eine schlechte Presse gibt" und keine Sorgen wegen des Wohlergehens der Jugendlichen anmeldet, werde sie ihm nicht widersprechen.

"Gutmütigkeit ausgenützt"

Eigentlich, führt W. aus, sei sie ja nur für die asylrechtliche Vertretung jener unbegleiteten Jugendlichen zuständig gewesen, über die das Land die Obhut hat. Doch ihr Vorgesetzter hätte ihr immer mehr von seinen Aufgaben übertragen – oder sie habe sie einfach erledigt, weil er sich nicht darum gekümmert hat. "Man kann vielleicht sagen: Ich habe mich nicht getraut, das abzulehnen", sagt W. Die Vorsitzende: "Hat R. Ihre Gutmütigkeit ausgenützt?" W.: "Es war so."

Wobei die Angeklagte durchaus auch offenbart, dass ihre Persönlichkeitsstruktur ein Einfallstor für Überarbeitung sein könnte. Schon in ihrer früheren Tätigkeit bei einer NGO habe sie Überstunden angesammelt, auch beim Land habe sie dann oft Zwölfstundentage geschoben – für die Auszahlung der Überstunden war sie später vor das Arbeits- und Sozialgericht gezogen.

Staubwolke schreibt E-Mails

Bei ihrem Vorgesetzten habe sie so eine ausgeprägte Arbeitsmoral nicht wahrgenommen: "Normalerweise war er am Freitag um zwölf eine Staubwolke" – deshalb sei es ihr komisch vorgekommen, als er ihr eines Freitagnachmittags eine Mail geschrieben hat – und zwar just am Freitag, bevor das umstrittene Quartier in Drasenhofen eröffnet wurde. Eine Mail, die nun im Prozess Thema ist: Denn der Juristin W. werden auch Beweismittelfälschung und Verleumdung vorgeworfen. Sie habe nämlich der Polizei ein Postskriptum vorenthalten, in sie darauf Bezug nimmt, dass ihr Vorgesetzter moniert, er dürfe bei Drasenhofen nicht mitreden. Damit habe sie das Beweismittel verfälscht und ihren Vorgesetzten strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt, weil sie ihn als verantwortlich dargestellt habe.

Für den verschwundenen Zweizeiler hat W. eine Erklärung: Und zwar sei ihr Postfach stets übergelaufen, Mails hätten deshalb den Postausgang oft nicht verlassen. Indem sie das PS vor dem Weiterschicken des Schreibens gelöscht hat, wollte sie dem Mailprogramm zum Erfolg verhelfen.

Der Prozess wird am 7. März fortgesetzt. (Sebastian Fellner, Gabriele Scherndl, 3.2.2021)