Ist ein Faktencheck gut gemacht und kreativ geschrieben, kann es damit gelingen, bereits etablierte (Fehl-)Informationen zu "überschreiben".

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Wenn es in Sachen Corona zu einem konkreten Thema schwammige Informationen, unrichtig interpretierte Studien oder einfach falsche Behauptungen gibt, greifen Medien gerne zum probaten Mittel des Faktenchecks – etwa bei den Behauptungen, die Impfung mache unfruchtbar oder Ivermectin sei ein wirksames Mittel bei einer Covid-19-Erkrankung. Die unterschiedlichen Aussagen und Behauptungen werden dann genau aufgedröselt, Studieninterpretationen hinterfragt und Expertinnen und Experten befragt, wie es zu solchen Falschaussagen kommen könne, mit der Bitte um Richtigstellung.

Und tatsächlich können solche Faktenchecks Falschwahrnehmungen in Sachen Covid-19 korrigieren, wie eine soeben in "Nature Human Behaviour" publizierte Studie von Forschenden der Universitäten Princeton, Toronto, Dartmouth College, Exeter und anderen zeigt. Besonders bei jenen Gruppen und Personen, die sehr anfällig sind für solche Falschinformationen, zeigte sich, dass entsprechende Bemühungen sehr erfolgreich sind – aber nur kurzfristig. Denn bereits wenige Wochen später ist die Verringerung der Falschwahrnehmung kaum noch messbar.

Nur kurze Wirkung

Für die Erhebung haben die Forschenden Probandinnen und Probanden in den USA und Großbritannien in mehreren Runden befragt, in Kanada in einer Runde. Dabei legten sie verschiedenen Gruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Fact-Checks bezüglich Covid-19-Falschbehauptungen oder Artikel ohne Zusammenhang zu den Falschbehauptungen vor. Danach bewerteten die Probandinnen und Probanden wahre und falsche Aussagen betreffend Covid-19.

Während die Befragten, die Faktenchecks zu bestimmten Falschbehauptungen gelesen hatten, diese häufiger als falsch erkennen konnten, zeigte sich dieser Effekt schon einige Wochen später kaum noch. Die Autoren fanden auch keine Evidenz für Übertragungseffekte auf die Wahrnehmung anderer Falschwahrnehmungen bezüglich Covid-19. Die Meinung der Befragten änderte sich nur bei konkreten Themen, die in den Faktenchecks behandelt wurden. Ebenso sahen die Forscher keine Evidenz dafür, dass sich die Wirkung von Fact-Checks erhöhte, wenn diese wiederholt mit einigen Wochen Abstand vorgelegt wurden.

Warum ist das so? Und was kann man tun, um die Wirkung von Faktenchecks zu erhöhen? Aus psychologischer Sicht ist die Tatsache, dass die Korrekturen sich nur als kurzfristig effektiv erwiesen haben, gar nicht überraschend, meint Nicole Krämer, Leiterin des Fachgebiets Sozialpsychologie, Medien und Kommunikation an der Universität Duisburg-Essen: "Seit den 1990er-Jahren ist der Falschinformationseffekt oder 'continued influence effect' bekannt. Dieser zeigt, dass eine einmal in die bisherigen Wissensstrukturen eingebaute Information durch Korrektur nicht einfach überschrieben werden kann. Selbst wenn die betroffenen Personen die neue, korrigierte Information glauben, bleibt die ursprüngliche Information bei späteren Abfragen präsenter, da sie in die Wissensstrukturen plausibel eingebaut wurde."

Andocken an bestehendes Wissen

Falschwahrnehmungen erfolgreich bekämpfen könne man nur, wenn die korrigierenden Informationen an die bestehenden Wissensstrukturen so gut andocken, dass die alte, falsche Information dann doch langfristig überschrieben wird: "Das gelingt zum Beispiel durch höhere Plausibilität oder die Möglichkeit der Vernetzung mit bestehendem Wissen." Journalistinnen und Journalisten müssten deshalb die korrigierenden Informationen als hochplausibel darstellen und auf Aspekte hinweisen, die gut mit bestehendem Wissen verbunden werden können. So werde die Passung zum bisherigen Netzwerk an Wissen möglichst hoch.

Sabrina Kessler, Senior Research and Teaching Associate am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich, erklärt weiter: "Es ist wichtig, die Verbreitung von Falschmeldungen von Beginn an einzudämmen. Sind Falschwahrnehmungen einmal im Kopf eines Menschen, sind sie dort nämlich relativ stabil verankert und nicht wieder vollständig zu beseitigen. Man benötigt dann im Nachhinein spezifische Widerlegungsstrategien, die voraussetzen, dass diese Widerlegungstexte dann auch von den Menschen aufmerksam gelesen, verarbeitet und abgespeichert werden."

Die Forschung zeige aber auch, dass eine sogenannte vorherige ‚Impfung gegen Fehlinformationen‘, also die Verdeutlichung der Risiken, die die Verbreitung von falschen Infos mit sich bringt, noch effektiver ist als die Bekämpfung der Fehlwahrnehmung im Nachhinein. Das verbessere auch ganz allgemein die Kompetenz, Fehlinformationen zu erkennen.

Gefahr der Erhöhung von Missinformation

Ein Problem, das dem Erfolg von Faktenchecks im Weg steht, ist die Tatsache, dass Missinformation vor allem von solchen Menschen gesucht und verbreitet werde, die damit ihr Weltbild bestärken und andere überzeugen oder kritisieren wollen, betont Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Leipzig: "Gerade diese kleine, entschlossene Gruppe zeigt sich besonders resistent gegen Faktenchecks. Es ist daher wichtiger, dass zuverlässige Information weiter deutlich stärker verbreitet wird als die Korrektur einzelner Missinformationen."

Es gebe außerdem Hinweise darauf, dass die Wirksamkeit von Faktenchecks gesteigert werden kann, wenn diese an das Weltbild oder die Werte derjenigen appellieren, die korrigiert werden sollen. "Das geschieht in der Praxis aber zu selten." Und Hoffmann betont, dass Journalistinnen und Journalisten gut abwägen sollten, ob die Berichterstattung über eine Missinformation, auch in aufklärerischer Absicht, dieser nicht unnötige Verbreitung schenke.

Faktenchecks trotzdem wichtig

Auch wenn die nachhaltige Wirkung von korrigierender Berichterstattung nicht garantiert werden kann, sei sie trotzdem wichtig, ist Lena Frischlich, Kommunikationswissenschaftlerin und Medienpsychologin am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, überzeugt: "Die Studie, die methodisch sehr gut gemacht ist, zeigt, dass Faktenchecks auch jene Personen erreichen, die als besonders empfänglich für Fehlinformationen gelten können. Dadurch wurden Fehlinformationen eher als ‚nicht akkurat‘ eingeschätzt. Das führte zu einer Anpassung der eigenen Einschätzung an den Faktencheck."

Die Bedeutung der Verfügbarkeit von korrekten Informationen im Netz dürfe deshalb nicht unterschätzt werden. Und auch wenn der gefühlte Nachrichtenwert von wiederholten Faktenchecks aus journalistischer Perspektive gering sein dürfte, zeige die Studie, dass Wiederholungen wichtig sein könnten – wenn Journalistinnen und Journalisten bei der Informationsvermittlung kreativ seien. Frischlich verweist als Unterstützung für die Kreativität in der Gestaltung auf ein "Debunking Handbook" mit vielen praktischen Tipps, zusammengestellt von etablierten Forschenden in dem Bereich.

Denn, erklärt Kommunikationswissenschafterin Kessler, "vereinfacht gesagt, entsteht im Kopf von Menschen eine Lücke, wenn Fehlwahrnehmungen korrigiert werden. Man nennt das in der Psychologie eine Lücke im mentalen Modell. Diese entstandene Lücke muss geschlossen werden, damit die Fehlinformation hier keinen Platz mehr hat." Mit detaillierten und einprägsamen, alternativen Erklärungen gelinge das wesentlich besser.

Eine Widerlegung könne dabei faktenbasiert, logikbasiert oder quellenbasiert sein. In der Erklärung sollten auch Gründe dargelegt werden, warum eine Falschnachricht überhaupt existiert und gestreut wird. Idealerweise ist die Erklärung wissenschaftlich gesicherter und plausibler als die Falschnachricht und wird kurz und leicht verständlich kommuniziert. (Pia Kruckenhauser, 7.2.2022)