"Es ist mir noch nie passiert, dass eine definitive Zusage am Tag des Einbringens eines Antrags zurückgezogen wurde – mit dieser, wie ich finde, sehr lustigen Begründung", sagt VPNÖ-Klubchef Klaus Schneeberger.

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Eine wichtige Verfassungsänderung "zwischen Tür und Angel machen zu wollen, ist ÖVP-Stil" und "unseriös", findet Niederösterreichs SPÖ-Chef Franz Schnabl.

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Eigentlich war die Reform schon fixiert. Und eigentlich haben die Landtagsklubs von ÖVP und SPÖ das Vorhaben auch bereits präsentiert: Das Wahlrecht für Menschen mit Zweitwohnsitz sollte in Niederösterreich nach langem Ringen abgeschafft werden. Die Volkspartei war nun dazu bereit, die Sozialdemokratie wollte das ohnehin immer schon. Aber dann kam doch alles anders: Die rote Landtagsfraktion zog ihre Zustimmung zurück.

Was war passiert? Für Donnerstag, den 27. Jänner, war die gemeinsame Pressekonferenz angesetzt. Am Abend davor rief der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl den schwarzen Klubchef Klaus Schneeberger an: Die SPÖ könne bei dem Paket doch nicht mitgehen. Dafür gibt es einerseits einen Grund und andererseits einen Auslöser.

Der Grund: Die Verteilung nach D'Hondt

Der Grund ist eine Verfassungsänderung, die die ÖVP bei der Wahlrechtsreform mitnehmen will: Es geht um die Frage, nach welchem Schlüssel Niederösterreichs Proporzregierung besetzt wird. Mindestens seit 1945 wird dafür das D'Hondt'sche Verfahren angewendet, das im Gesetz aber nicht explizit erwähnt wird. Um auf Nummer Sicher zu gehen, will es die Landeshauptfraupartei auch im Gesetz stehen haben.

Schnabl sagt, D'Hondt sei genauso legitim wie andere Systeme – aber in diesem Fall auch Mehrheits- sprich: ÖVP-freundlich. "Man muss darüber reden, was man will, was die Zielbestimmung ist", sagt der rote Landeshauptfraustellvertreter zum STANDARD. In vielen Szenarien würde ein anderes System der ÖVP einen Sitz in der Landesregierung und damit auch die Mehrheit darin kosten. D'Hondt würde der Volkspartei also nutzen. "Das zwischen Tür und Angel machen zu wollen, ist ÖVP-Stil" und "unseriös".

Der Auslöser: DER STANDARD

Soweit der Grund – und dann gibt es noch den Auslöser. Nach einem STANDARD-Bericht am Vorabend der Pressekonferenz sei ein "Telefontrommelfeuer" losgegangen, erzählt Schnabl. SPÖ-Abgeordnete hätten untereinander und mit ihm telefoniert, die Aufregung war groß. Es handelte sich um eine Fehlinterpretation: DER STANDARD hatte zunächst berichtet, die ÖVP würde durch die Festschreibung von D'Hondt einen Landesregierungssitz gewinnen – dass tatsächlich nur der Status quo festgeschrieben wird, wurde bald darauf korrigiert.

Aber da war es schon zu spät. Die SPÖ hat sich festgelegt, der Verfassungsänderung will sie nicht zustimmen. Sie sei aber nach wie vor gegen das Wahlrecht für Zweitwohnsitzende, betonen sie – und ärgern sich über anderslautende Gerüchte, die vom politischen Gegenüber gestreut würden.

"Es ist mir noch nie passiert, dass eine definitive Zusage am Tag des Einbringens eines Antrags zurückgezogen wurde – mit dieser, wie ich finde, sehr lustigen Begründung", sagt ÖVP-Klubchef Schneeberger zum STANDARD. Er habe bei der Pressekonferenz die D'Hondt-Sache nur "en passant" angesprochen, "ich wollte die SPÖ nicht bloßstellen, das ist nicht meine Art".

Wahlrecht wird wohl dennoch reformiert

Die Abschaffung des Wahlrechts mit einem Zweitwohnsitz dürfte jedenfalls dennoch über die Bühne gehen: Sowohl SPÖ als auch FPÖ, Grüne und Neos sind für die Reform. Zur Not können die Wahlrechtsänderung und die Ergänzung in der Verfassung auch getrennt voneinander abgestimmt werden.

Anlass für die Festschreibung des D'Hondt'schen Verfahrens war übrigens ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum Stadtrat in Groß Gerungs – die kommunale Regierung war auch stets nach D'Hondt besetzt worden, der VfGH urteilte aber, dass dafür die rechtliche Grundlage fehle. Groß Gerungs ist auch jene Stadt, in der laut einem Bericht der Tageszeitung "Heute" eine trächtige Sau ausgebüxt und ins Foyer der lokalen Raiffeisenbank eingedrungen ist, was nichts mit der Wahlrechtsreform zu tun hat, aber dennoch berichtenswert ist. (Sebastian Fellner, 7.2.2021)