Tirols Günther Platter ist mit knapp 14 Jahren Amtszeit der längstdienende VP-Landehauptmann in Österreich.

Foto: Gerhard Berger

Mit bald 14 Jahren Amtszeit ist Günther Platter der längstdienende ÖVP-Landeshauptmann Österreichs. Die vergangenen zwei Jahre waren die wohl fordernsten seiner Karriere, kaum ein Bundesland stand dermaßen im Fokus der Pandemie wie Tirol. DER STANDARD hat Platter zur wiedererstarkten Rolle der Länderchefs nach dem Abgang von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) befragt und dem Streitpunkt, ob man in Tirol im Kampf gegen Corona tatsächlich "alles richtig" gemacht hat.

STANDARD: Ihr Parteikollege und Landsmann Franz Fischler sagte 2017 in einem STANDARD-Interview: "Wenn das Experiment Sebastian Kurz scheitert, zerfällt die ÖVP." Sehen Sie diese Gefahr?

Platter: Wir haben mit Karl Nehammer einen sehr guten Bundesparteiobmann und Kanzler, mit dem sowohl in der Bundesregierung als auch in der Bundespartei absolute Stabilität gegeben ist. Wie er kommuniziert, wie er Länder und Organisationen einbindet, wie er entscheidet, zeigt, dass die ÖVP mit ihm auf dem richtigen Weg ist.

STANDARD: Sie sagen, Nehammer bindet die Länder ein. Kurz war mit der Ankündigung angetreten, Länder und Bünde zu entmachten. Zuletzt fanden die Länder, vor allem jene im Westen, wieder mehr Gehör, etwa mit Forderungen nach Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Hat sich da in der ÖVP etwas verändert seit Kurz' Abgang?

Platter: Ich möchte etwas zurechtrücken. Auch mit Sebastian Kurz hat es immer wieder einen regen Austausch gegeben – ob in inoffiziellen Sitzungen oder mittels Telefonaten. Da gab es durchaus unterschiedliche Standpunkte, etwa als es um die südafrikanische Variante ging. Da hat es zwischen Bund und Tirol geknirscht. Karl Nehammer ist einer, der selbstverständlich die Länder mit einbindet. Denn gerade zur Bewältigung einer Pandemie ist es wichtig, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Aber die Verordnung ist das eine, der Vollzug das andere. Und da sind die Länder massiv in der Verpflichtung. Daher ist es nur selbstverständlich, dass sie sich auch einbringen und Denkanstöße liefern – wie ich das tat –, wenn man sieht, es geht in die falsche Richtung.

STANDARD: Sie bezeichnen die ÖVP als stabil. Doch nun steht der Korruptions-U-Ausschuss an, und immer wieder gibt es auch Stimmen, die von Neuwahl sprechen. Was halten Sie für den richtigen Kurs?

Platter: Arbeiten, arbeiten, arbeiten.

STANDARD: Sie halten also nichts von Neuwahlen?

Platter: Gar nichts.

Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern sei unter Nehammer bestens, sagt Platter.
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STANDARD: Wie gefährlich für die ÖVP ist der U-Ausschuss? Es kommen noch immer neue Chats an die Öffentlichkeit, die kein gutes Licht auf die damalige VP-Bundesregierung werfen. Ist ein Bruch mit der türkisen ÖVP nötig?

Platter: Ich erachte da zwei Dinge als wichtig. Einmal volle Transparenz und aktives Mitarbeiten, was den U-Ausschuss betrifft. Das andere ist, dass man daneben weiter die tägliche Arbeit erledigt.

STANDARD: Nehammer sagt, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem. Die Chats und der U-Ausschuss legen einen anderen Schluss nahe. Bedarf es da keines Bruchs mit dem, was war, oder einer Entschuldigung?

Platter: Der U-Ausschuss beginnt, die Transparenz und die Mitarbeit sind gewährleistet. Und das ist es.

STANDARD: Aber das war doch auch innerparteilich Thema. Etwa der Umgang mit Reinhold Mitterlehner, die Wortwahl in diesen Chats.

Platter: Ich beschäftige mich weniger mit dem Korruptions-U-Ausschuss, der hat auch keine Tiroler Relevanz. Mir geht es um das, was die Leute wollen: raus aus der Pandemie und die Themen angehen, die wirklich wichtig sind. Also noch einmal: arbeiten, arbeiten, arbeiten.

STANDARD: Aber unabhängig davon: eine Aussage zu dem, was da war, halten Sie nicht für wichtig?

Platter: Ich habe die Frage schon beantwortet.

Der Korruptions-U-Ausschuss sei nicht von Tiroler Relevanz, sagt Platter.
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STANDARD: Transparenz ist wichtig, wie Sie sagten. Nun stehen aktuell sogenannte Sideletter im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Ihre Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) sagte, dass es in Tirol keine schriftlichen Nebenabsprachen gibt. Gibt es sie in mündlicher oder anderer Form?

Platter: Nein, es gibt keinen Sideletter.

STANDARD: Und was halten Sie grundsätzlich von dieser Art der Vereinbarungen?

Platter: Das ist eine Art und Weise, wie in einer Regierungskonstellation bestimmte Themen behandelt werden. Aber in Tirol haben wir keinen Sideletter.

STANDARD: Hat es sie zu Ihrer Zeit als Bundesminister gegeben?

Platter: Ich war zwar in der Bundesregierung, aber nicht unmittelbar in Koalitionsverhandlungen eingebunden.

Die Konkurrenz durch die MFG bei den anstehenden Gemeinderatswahlen sieht Platter noch gelassen.
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STANDARD: Am 27. Februar finden in Tirol Gemeinderatswahlen statt. Sie haben sich trotz Pandemie gegen eine Verschiebung ausgesprochen. Nun tritt die MFG mit 51 Listen und 22 Bürgermeisterkandidaten an. Für wie problematisch oder bedrohlich halten Sie diese Partei für die Tiroler VP?

Platter: Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr genau unterscheiden können, worum es bei GR-Wahlen geht.

STANDARD: In Waidhofen an der Ybbs gelang der MFG auf Anhieb der Sprung auf Platz drei bei der Gemeinderatswahl. In Tirol bringt das Thema Corona regelmäßig viele Menschen auf die Straße. Wie und mit welchen Themen will die ÖVP auf diese Menschen zugehen?

Platter: Es ist auf kommunaler Ebene eine Selbstverständlichkeit, auf alle Menschen zuzugehen und mit ihnen zu kommunizieren. Bei diesen Gesprächen, die in Zeiten der Pandemie natürlich nur bedingt stattfinden können, wird klar, dass es den Menschen um Themen geht, die die Gemeinde betreffen. Es hemmt uns zwar, dass wir unsere Veranstaltungen nicht wie gewohnt durchführen können und auch die Vereine nur eingeschränkt zusammenkommen, aber wir setzen dennoch auf möglichst viel direkten Kontakt.

STANDARD: Wie beurteilen Sie insgesamt diese neue Partei? Der MFG Tirol-Sprecher ist Polizist, Sie waren selbst Gendarm und Innenminister. Sehen Sie ein Problem darin, wenn sich Polizeibeamte bei dieser Partei engagieren?

Platter: Insgesamt muss eine Demokratie solche Entwicklungen aushalten, ob man es momentan will oder nicht. Und dass sich Bürger, egal welchen Beruf sie ausüben, politisch betätigen, ist zu akzeptieren.

Die Impfpflicht werde kommen, wie sie beschlossen wurde, ist Tirols Landeshauptmann überzeugt.
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STANDARD: Zu Corona selbst: Sie haben sich vergangene Woche trotz hoher Infektionszahlen erfolgreich für eine Lockerung starkgemacht. Wieso?

Platter: Prinzipiell haben sich Bundesregierung und Länder unter Einbindung von Expertinnen und Experten darauf geeinigt, dass bei Omikron nicht die Inzidenzen, sondern die Spitalsbelegungen und Zahlen der Intensivpatienten ausschlaggebend sind. Das hat sich bewahrheitet, denn die Krankheitsverläufe sind bei dieser Variante deutlich milder. So kurios es klingen mag, bei der höchsten Inzidenz, die wir je hatten, gleichzeitig Lockerungen zu beschließen, so wichtig war es. Wir müssen die Balance zwischen Gesundheit, wirtschaftlicher Entwicklung und persönlichen Einschränkungen finden. Diese Einschränkungen sind drastische Maßnahmen, daher ist es klug, dass nun diese Öffnungen gemacht werden.

STANDARD: Stichwort drastische Maßnahmen: Die Impfpflicht wurde unter dem Eindruck der Delta-Welle beschlossen. Nun verzögert sich die Umsetzung. Denken Sie, dass sie unter dem Eindruck der Omikron-Welle wieder fallen könnte oder noch abgeändert wird?

Platter: Die Pandemie ist noch nicht vorbei, auch wenn die Omikron-Welle bald bricht. Aber wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten – ohne den Leuten Angst zu machen. Künftig müssen wir jeden weiteren Lockdown vermeiden. Und damit wir das vermeiden können – da bin ich der gleichen Meinung wie der Gesundheitsminister –, müssen wir diese Impfpflicht umsetzen, so wie sie beschlossen wurde.

STANDARD: Zu Ihrer Zukunft: 2023 stehen Landtagswahlen an. Sie haben bereits angekündigt, wieder zu kandidieren und das Regierungsteam bis dahin nicht mehr zu verändern. Das wurde als Absage an Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser gewertet, der Ambitionen zeigt, Sie als Landeshauptmann zu beerben. Wie ist Ihr Verhältnis zum Wirtschaftsbund und Herrn Walser?

Platter: Da wird zu viel hineininterpretiert. Meine Aussage bezog sich auf eine Frage der Medien, ob ich wieder kandidieren will. Und da habe ich gesagt: ja, selbstverständlich. In der Partei gab es dann eine große Zufriedenheit, dass ich wieder zur Verfügung stehen werde. Ich habe Klarheit geschaffen. Das ist bei allen Bünden, inklusive des Wirtschaftsbunds, sehr gut angekommen.

STANDARD: Walser forderte auch Ihre Ablöse als Tourismusreferent (Anm.: Diese in Tirol wichtige Rolle nimmt traditionell der Landeshauptmann ein).

Platter: Der Tourismus war in der Finanzkrise 2008 unser Fels in der Brandung, nun ist er selbst in einer schwierigen Situation. Ich bin seit 14 Jahren Tourismusreferent, und die Leute wissen, dass sie sich auf mich verlassen können. Meine Ablöse als Tourismusreferent war nie Thema, die Forderung danach war nur ein Ausrutscher.

STANDARD: Abschließend eine Frage zu einem Satz, der an Tirol sehr negativ aus dieser Pandemie hängen blieb: "Alles richtig gemacht!" Denken Sie, dass das Land einen Schaden genommen hat?

Platter: Man sollte einen Satz eines Regierungskollegen aus einem Interview nicht so auf die Waagschale legen. Bei Interviews spielen immer auch Emotionen eine Rolle. Und es gibt Situationen, die nicht einfach sind. Gleichzeitig stelle ich die Frage: Wer kann in so einer Pandemie behaupten, alles richtig gemacht zu haben? Was ich aber sagen kann: Man hat immer versucht, in der jeweiligen Situation das Beste zu tun. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Die Gäste kommen nach Tirol, sobald Urlaube möglich sind. Das hat man jetzt wieder gesehen. Ich habe überhaupt keine Sorge, was den Tourismusstandort Tirol betrifft, weil wir eine starke Marke sind. Dafür entschuldigen wir uns nicht. Im Gegenteil, wir haben tolle Betriebe und bieten eine besondere Gastfreundschaft, darum kommen die Leute so gern zu uns. (Steffen Arora, 4.2.2022)