"Solche Absprachen sind weder gesetzeswidrig noch unanständig", erklärt Andreas Khol der "Krone".

Foto: Matthias Cremer (2019)

Auf Andreas Khol ist Verlass. Wann immer seine Partei in Bedrängnis gerät, steht er auf und bestätigt, dass mit ihr alles in bester Ordnung ist. Umso beklagenswerter, dass seine Meinung in dieser Partei ab sofort nichts mehr gelten soll.

Khol Gewehr bei Fuß

Kaum war der Sideletter dort, wo er auf keinen Fall hingehörte, in der Öffentlichkeit, stand Khol in der "Kronen Zeitung" Gewehr bei Fuß und holte zu einer Vorlesung über Postenbesetzungen in einer Koalition aus. Tendenz: Alles wie immer, alles, wie es sich gehört. Jede Bundesregierung trifft Personalentscheidungen. Alle Koalitionsregierungen legen daher fest, wie sie bei Postenbesetzungen miteinander umgehen. Das ist notwendig, um ständigen Streit zu vermeiden. In geheimen schriftlichen Vereinbarungen wird daher für alle infrage kommenden Positionen festgelegt, welcher der Regierungspartner das Vorschlagsrecht für die Entscheidung der Regierung hat. Die Parteibezeichnung in Klammer hinter dem Namen betrifft nicht diese Person, sondern welche Partei den Vorschlag macht.

Weltfremdheit wird man Khol kaum zubilligen dürfen. Letzteres war eine verharmlosende Verschleierung, weil üblicherweise die Parteibezeichnung auch auf die Person zutrifft oder zumindest nicht weit daneben schlägt. Der Fall, dass eine Partei – und insbesondere die von Andreas Khol – aus reiner Begeisterung für Qualität in einer Sidelettersituation einen politischen Gegner vorgeschlagen hätte, ist nicht bekannt.

Kreativen Fähigen freien Lauf lassen

Auch sein Argument von der Notwendigkeit, ständigen Streit zu vermeiden, überzeugt nicht wirklich, wäre der doch leicht zu vermeiden, würden die Koalitionäre sich mit der formellen Besetzung eines Postens begnügen, die Auswahl der zu Besetzenden nach Qualitätskriterien aber einem fachlich geeigneten Gremium überlassen. Diese Mühen könnte sich eine unter der Last schwerer Arbeit stöhnende Regierung dann ersparen und stattdessen ihren kreativen Fähigkeiten freien Lauf lassen.

Solche Absprachen sind weder gesetzeswidrig noch unanständig, sondern absolut notwendig und gehören zu jeder Regierungsbildung dazu. So Khol. Wie weit Absprachen zwischen Kurz und Strache immer gesetzeskonform waren, ist Gegenstand von Untersuchungen, im Geruch einer besonderen Anständigkeit sind sie nicht gestanden. Wäre das anders, bestünde nicht der geringste Grund, Personalentscheidungen, die für das öffentliche Leben durchaus von Bedeutung sein können, streng geheim zu halten. Die Geheimhaltung ist der Ausdruck des schlechten Gewissens wegen einer Praxis, die von einer zunehmend verdrossenen Bevölkerung im besten Fall als überholt, wenn nicht als skandalös empfunden wird. Von Fachleuten auf den jeweils betreffenden Gebieten zunehmend eher Letzteres.

Urgestein von der traurigen Gestalt

Was Andreas Khol als ÖVP-Urgestein von der traurigen Gestalt dastehen lässt, ist der Umstand, dass der neuen Mann an der Spitze der Partei so gar nichts von der Verteidigung wissen will, die ihm von ihm zuteilwird. Was Khol für absolut notwendig hält, ist für Nehammer untragbar, zumindest äußert er sich derzeit so. "Das muss öffentlich und transparent gemacht werden. Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen außerhalb des Regierungsprogramms geben", so der Bundeskanzler und ÖVP-Obmann nach Sebastian Kurz in der "Krone". "Das betrifft alle künftigen Regierungskoalitionen, egal mit welchem Partner." Nie wieder Sideletter? Man wird sehen.

Immerhin könnte Khol die alte Kurz-Partie dazu ermuntert haben, als "persönliche Vendetta" gegen die Grünen den türkis-grünen Sideletter rauszulassen. Das hat auch gewirkt, bekannte doch Werner Kogler laut "Kurier": "Ich verstehe alle, die finden, wir Grünen sind in der Form hinter unseren eigenen Ansprüchen zurückgeblieben – das sehe ich auch und das tut mir leid."

Wenn das nicht zu rasch verpufft

Es gab in den letzten Wochen kein Anzeichen dafür, dass Kogler zu dieser Erkenntnis auch ohne das Auftauchen des Sideletters gekommen wäre. Kurz wollte sich offenbar aus dem politischen Off noch rasch ein politisches Verdienst erwerben, indem er die Grünen nötigt, ein wenig für die Aufmöbelung ihrer eigenen Ansprüche zu sorgen. Wenn das nur nicht allzu rasch verpufft.

So wie die Aufregung um den Sideletter. Doch was bleibt, ist die Impfpflicht, bei deren Bekämpfung die Freiheitlichen keinesfalls hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückbleiben wollen, wie hinter dem, keine Schwurbler sein zu wollen. Dahinter können sie gar nicht zurückbleiben. (Günter Traxler, 5.2.2022)