Foto: Blacktail
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Wenn es um Mythologie in Videospielen geht, dann findet die slawische Sagenwelt nur wenig Niederschlag in virtuellen Abenteuern. Eine seltene Ausnahme ist die "Witcher"-Reihe, die sich gemäß ihrer Buchvorlage unter anderen dort inspirieren ließ.

In "Blacktail" (PC/Windows, Playstation 5, Xbox Series S/X) wird nun aber die vielleicht bekannteste Erzählung slawischer Folklore verarbeitet: die Hexe Baba Yaga. Und wie die "Witcher"-Macher von CD Projekt Red ist auch hier ein polnisches Studio am Werk, nämlich The Parasight aus Krakau. In ihrem Spiel wird die Vergangenheit von Yaga aufgearbeitet.

Böse Hexe, gute Hexe

Das Szenario ist ein dankbares, denn entgegen der im Wald lebenden Hexe mitteleuropäischer Machart – siehe "Hänsel und Gretel" – gibt es unzählige Varianten der Erzählung über Baba Yaga. Diese unterscheiden sich von Region zu Region, und nicht immer ist Yaga den Menschen böse gesinnt. Diese Ambivalenz will sich auch "Blacktail" zu eigen machen.

IGN

In diesem Spiel ist man die 16-Jährige Yaga, die nach dem Verschwinden ihrer Schwester Zora der Hexerei bezichtigt und ihres Dorfes verstoßen wurde. Auf der Suche nach Zora folgt sie nun einer geisterhaften Figur durch eine wunderschön gestaltete Landschaft, die schon in der Demoversion sonnendurchflutete Lichtungen, düsteres Sumpfland und noch einige Facetten mehr zu bieten hat.

Hütte auf Hühnerbeinen

Die Vorschauversion wurde für diesen Text über eine Dauer von 75 Minuten durchgespielt, wobei auch – soweit möglich – abseits der Hauptquest erkundet wurde. Das Abenteuer beginnt mit Yaga, die nach einem unruhigen Traum neben ihrem Lagerfeuer aufwacht. Um für die Fortsetzung ihrer Suche zu Kräften zu kommen, schickt das Game den Spieler auf Hirschjagd, was auch gleich mit etwas Landschaftserkundung verknüpft wird.

Zum Einsatz kommt hier gleich Yagas wichtigstes Werkzeug, ihr Bogen. Für diesen lassen sich aus Federn und Ästen simple Pfeile bauen. Ist der Hirsch erledigt, bahnt man sich den Weg zurück ans Lagerfeuer und in weiterer Folge – über einen dank der Geisterfigur frei gewordenen Pfad – tiefer in den Wald. Und dort stößt man auch auf das berühmt-berüchtigte Hexenhaus, das auf riesigen Hühnerfüßen steht und in der Heldin Erinnerungen und eine Stimme wachruft, die sie fortan begleitet.

Hier trifft man auch die grundsätzliche Entscheidung, ob man dem Pfad des Lichtes oder dem Pfad der Dunkelheit folgen möchte. Spätere Taten und Entscheidungen beeinflussen die eigene Ausrichtung. Das wiederum soll sich immer wieder auf das Spielgeschehen und das Verhalten anderer Figuren auswirken.

Foto: Blacktail

"Alice im Wunderland"-Flair

Und an diesen scheint es nicht zu mangeln. Im Rahmen der Demoversion hilft man einer in zwei Fraktionen gespaltenen Population an sprechenden Pilzen, verrät einer verirrten, Dämonen-melkenden Raupe, ob sie sich verirrt hat (oder auch nicht), und kann einer offenbar größenwahnsinnigen Ameisenkönigin optional bei ihrem Feldzug gegen Yagas Dorf beistehen. Alice im Wunderland lässt grüßen. Dabei deutet sich an, dass die getroffene Wahl langfristig Konsequenzen haben könnte.

Ebenso entdeckt man die eigenen Zauberkräfte, beginnend mit einer Fähigkeit, die am ehesten an den "Fus!"-Windstoß aus "Skyrim" erinnert, sich aber auch in Kombination mit Bogenschüssen einsetzen lässt.

In die Hexenhütte wird man im Verlauf des Spieles immer wieder zurückkehren, denn der darin brodelnde Kessel dient zur Freischaltung neuer passiver Boni und aktiver Fertigkeiten, bei denen die Ausrichtung des eigenen moralischen Kompasses ebenfalls eine Rolle spielen wird. Ein Teil davon ist bereits vorab einsehbar, etwa schnelleres Aufziehen des Bogens, mehr Lebenspunkte oder höhere Tragekapazität. Andere offenbaren sich erst später.

Survival light

"Blacktail" wird allgemein als Survivalspiel beschrieben, doch diese Bezeichnung ist – so weit sich aus der Demo schließen lässt – etwas trügerisch. Zwei Gegenstände – besagte Pfeile und ein trinkbares Gegengift – ließen sich in der Vorschauversion craften. Mit Essen stellt man zwar Lebensenergie wieder her, Yaga verhungert aber auch ohne regelmäßiger Nahrungszufuhr nicht und gewinnt mit der Zeit einen Teil verlorener Lebenspunkte zurück.

Das Craftingsystem scheint außerdem sehr simpel gehalten zu sein. Über ein Quickwheel können Dinge per Klick geb(r)aut werden, wenn man die benötigten Zutaten hat. Der Bauen von Werkbänken und dergleichen war im Rahmen der Spielzeit nicht erforderlich und dürfte es wohl auch im späteren Verlauf nicht werden.

Das System, so wie es gestaltet ist, macht es möglich, auch während Kämpfen schnell Pfeile aufzustocken. Im ersten Kampf gegen einen mächtigeren Gegner, der auch das Ende der Demoversion darstellte, war dies sogar zwingend erforderlich. Da während des Klickens im Crafting-Schnellmenü die Zeit nicht angehalten wird, bleibt abzuwarten, wie gut hier die Balance zwischen hektischem Kampfgeschehen, Crafting und Inventarvergrößerung künftig gehalten ist. Ein weiterer potenzieller Knackpunkt ist das Speichersystem, das auf die Nutzung kleiner "Schreine" statt frei anlegbarer Save Games setzt. Da zusätzlich auch vor wichtigen Situationen automatisch gespeichert wird, gab es zumindest im Rahmen der Demo damit kein Problem.

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Toll erzählt und inszeniert

Auf dem Probeausflug wusste "Blacktail" nicht nur grafisch sehr zu gefallen. Auch akustisch präsentierte sich das Game im besten Licht. Neben der sehr stimmungsvollen Hintergrundmusik gefallen hier besonders die vertonten Dialoge dank des erstklassigen englischen Voice-Actings. Die stimmungsvolle Umsetzung lässt einen auch vergessen, dass die zauberhafte Welt nicht ganz so frei erkundbar ist. Auf Vorsprünge klettern geht etwa nur an vorgegebenen Stellen, alles, was nicht mit einem Sprung gemeistert werden kann, ist damit zumindest vorerst ein unüberwindbares Hindernis.

Aber trotz dieser Einschränkung gibt es abseits der offensichtlichen Pfade immer wieder etwas zu entdecken. Für das fertige Spiel versprechen die Entwickler, neugierige Abenteurer zu belohnen. Neben dem Baba-Yaga-Mythos sollen auch Elemente aus anderen slawischen Sagen in "Blacktail" anzutreffen sein.

Fazit

"Blacktail" präsentierte sich in seiner Demoversion als spannendes Actionadventure mit Rollenspiel- und Survival-Elementen. In puncto Gameplay setzen die Entwickler auf etablierte Mechaniken, die während des kurzen Ausflugs gut funktionierten. Es ist die Verbindung des Spielerischen mit atmosphärischer Inszenierung, schöner Grafik und toller akustischer Inszenierung, die Lust auf mehr geweckt hat. Mit ein bisschen Glück könnte das Game sogar eines der Highlights des Jahres werden.

Einen genauen Releasetermin gibt es noch nicht. Ursprünglich hätte "Blacktail" noch Ende des vergangenen Jahres erscheinen sollen, soll nun aber definitiv im Laufe von 2022 fertig werden. (gpi, 5.2.2022)