Wie hoch die Betriebspension im nächsten Jahr ausfallen wird, steht für Betroffene noch in den Sternen. Besonders bei älteren Verträgen kommt es immer wieder zu Kürzungen.

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Wenn es um die zweite Pensionssäule in Österreich geht, prallen die Meinungen unversöhnlich aufeinander. Auf der einen Seite finden sich jene 125.000 der insgesamt 1,01 Millionen Berechtigten, die bereits eine Betriebspension erhalten. Viele mussten bereits Kürzungen hinnehmen und beklagen rückläufiges Einkommen im Ruhestand. Sie haben sich im Schutzverband der Pensionskassenberechtigten (Pekabe) zusammengeschlossen, der zudem auch zu wenig Transparenz und mangelnden Wettbewerb zwischen den Anbietern kritisiert.

Die Pensionskürzungen seien meist Folgen der Frühphase des Systems, als in den 1990er-Jahren die Verträge mit unrealistisch hohen Rechnungszinsen von bis zu sieben Prozent ausgestaltet wurden, hält der Fachverband der Pensionskassen dagegen. Die Krux dabei: Diesen Zinssatz muss die Pensionskasse in der Veranlagung erzielen, um die Pension stabil zu halten. Je höher, desto schlechter für Berechtigte – bei Neuverträgen sind derzeit maximal zwei Prozent zulässig.

Brutaler Wettbewerb

Auch den Vorwurf der Intransparenz weist Fachverbandsobmann Andreas Zakostelsky zurück: Vergleichsdaten über Performance oder Kosten zu liefern sei nicht Aufgabe des Verbands, die Anbieter würden den Berechtigten detaillierte Informationen liefern. Zudem ist der Wettbewerb zwischen den Pensionskassen ihm zufolge sogar "brutal", sodass deren Kosten kaum mehr weiter sinken könnten.

Dennoch, die Zahl der Anbieter ist seit 2016 von zwölf auf acht gesunken, davon sind nur fünf überbetriebliche Pensionskassen, die ihre Leistungen für mehrere Unternehmen anbieten. "Mangelnder Wettbewerb ist effektiv gegeben. Für Anbieter ist es eine geschützte Werkstätte", sagt der stellvertretende Pekabe-Obmann Karl Brezina. In der Regel würde nur einmal ein Vertrag zwischen Unternehmen und Pensionskasse abgeschlossen, Anbieterwechsel seien die Ausnahme. Fachverbandsobmann Zakostelsky begründete dies mit dem hohen Aufwand für alle Beteiligten.

Kaum Anbieterwechsel

Eines der seltenen Beispiele ist der Industrieriese Siemens, der im Vorjahr die Pensionskasse neu ausgeschrieben und per Anfang Jänner den Wechsel von Valida zur VBV-Pensionskasse vollzogen hat. Wie Siemens die Transparenz und den Wettbewerb in der Branche einschätzt, wird nur indirekt beantwortet: "Generell haben große Konzerne hier natürlich andere Analyse-, Vergleichs- und Kapazitätsmöglichkeiten, um sich die notwendige Transparenz zu schaffen, als kleinere Unternehmen", heißt es dazu.

Mit Jahresbeginn erfolgte für Siemens-Mitarbeiter der Wechsel zur neuen Pensionskasse VBV.
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Wie schätzt die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) die Lage ein? "Grundsätzlich würden Pensionskassen, anders als die gesetzliche Pensionsversicherung, in den Anwendungsbereich des Kartellrechts fallen und damit zum Zuständigkeitsbereich der BWB gehören", erklärt die Behörde auf Anfrage. Abgeschlossene Untersuchungen oder Entscheidungen seien nicht bekannt. Die Nachfrage, ob Ermittlungen geführt werden, blieb unbeantwortet.

Wenig Überblick

Für Außenstehende ist es extrem aufwendig, sich einen Marktüberblick zu verschaffen. Die Gewerkschaft GPA durchforstete im Vorjahr die Geschäftsberichte der fünf überbetrieblichen Anbieter und kam für das Jahr 2020 auf eine Bandbreite in der Veranlagung von plus 4,0 Prozent (APK) und minus 0,1 Prozent (Valida). Veröffentlicht wurde von der Kontrollbank nur die Durchschnittsperformance der fünf Anbieter von 2,3 Prozent.

Wegen dieser Schwankungsbreiten in der Veranlagung berichten Pensionisten, dass auch bei Verträgen aus jüngeren Jahren Kürzungen durchgeführt würden. Etwa jener Betroffene, seine Abrechnungen liegen der Redaktion vor, dessen Bezüge seit 2010 bei einem Rechnungszins von 3,5 Prozent um fast 13 Prozent gesenkt wurden. "Das ist ein Grundproblem kapitalgedeckter Systeme", sagt Florentin Döller von der Abteilung Steuerrecht der Arbeiterkammer Wien über die Schwankungen und allfällige Pensionskürzungen.

Mehr Sicherheit

Er vermisst eine Form der Sicherheit für die Pensionsbezieher, wie es sie bis 2003 gegeben habe, als die Kassen für ihre Zusagen hätten geradestehen müssen. Alternativ gebe es statt des üblichen beitragsbasierten Modells mit Pensionskürzungen auch ein leistungsbezogenes, bei dem im Zweifel der Arbeitgeber nachzahlen müsste. "Das schließt heute leider kein Arbeitgeber mehr ab", sagt Döller.

Dies offenbart ein Grundproblem des Systems, nämlich Asymmetrie. Firmen schließen mit Pensionskassen Verträge ab, Arbeitnehmer als Nutznießer haben über den Betriebsrat nur ein Mitspracherecht. Dennoch hält Döller die zweite Pensionssäule für eine sinnvolle Ergänzung zur ersten: "Pensionskassen bieten aus Arbeitnehmersicht das bessere Produkt. Es gibt niedrigere Kosten als in der dritten Säule, Arbeitgeber zahlen mit, und Arbeitnehmer müssen sich um fast nichts kümmern." (Alexander Hahn, 6.2.2022)