Gemetzel in der U-Bahn: Rob Jabbaz’ Horrorfilm "The Sadness".

Foto: Polyfilm

Keine guten Nachrichten: Es gibt schon wieder eine Virusmutation. Ausnahmsweise geht es nicht um Sars-CoV-2, sondern um den Rabiesvirus, auch bekannt unter Tollwut. Auf die ersten beiden Abweichungen von der Norm muss man in The Sadness nicht lange warten – im Horrorfilm ein verlässlich schlechtes Omen. Ein Greis steht blutbefleckt auf dem Dach eines Hauses und starrt ins Leere; der Nachbar vom Balkon nebenan ist "verkühlt". Pandemie? Alles erfunden, sagt er.

UHM - Upcoming Horror Movies

Ähnlichkeiten zu aktuellen Verhaltensauffälligkeiten sind durchaus beabsichtigt. Der Kanadier Rob Jabbaz hat den Shutdown Hollywoods genützt, um in seiner Wahlheimat Taiwan eine frenetische B-Movie-Version des Pandemiehorrors zu realisieren. Er legt es auf die größtmögliche Übersteigerung der Katastrophe an, die Inkubationszeit ist auch im dramaturgischen Sinne kurz: Statt die Spannungskurve gemessen in die Höhe zu treiben, geht es mitten in Taipeh umstandslos zur Sache. Für einen Lockdown bleibt keine Zeit.

Blutrausch in der U-Bahn

Bei einer ersten Gewalteruption im Imbiss muss der junge Held mitansehen, wie sich die Gesichtshaut eines Kochs nach Kontakt mit Frittierfett wie Palatschinkenteig wölbt. Noch unangenehmer die Szene in der vollgepackten U-Bahn, wo seine Freundin in eine Messerstecherei gerät, die sich in einen kollektiven Blutrausch verwandelt. Manch ein Passagier hält trotzdem das Handy drauf.

Die Ausmalung der Infizierten ist stark vom Gore- und Splatterfach inspiriert. Sie gleichen einer Abart von Zombies, sind schnell und auf destruktive Triebbefriedigung aus. Das limbische System hat das Kommando. The Sadness treibt vor allem den Sadismus in neue Höhen, etliche Szenen gleichen "Funny Games" verrückt kichernder Mobs, die sich an ihrer Folter erfreuen.

Konsequent und ungebrochen ist hier der Blick auf eine menschliche Gemeinschaft, die keine Hemmungen mehr kennt. Mann und Frau finden in Vergewaltigungs- respektive Kastrationslust endlich einen gemeinsamen Nenner. Sogar in der Liebe lauert die Gier auf Mord. Sad, indeed. Ob man das magentechnisch durchhält, ist wohl eine Frage der Abhärtung. Als Distinktionsmerkmal hat es funktioniert, The Sadness wurde im vergangenen Jahr von einem Fantasy-Festival zum nächsten gereicht. (kam, 5.2.2022)