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Der Facebook-Konzern Meta gab sich sogar einen neuen Namen, um für die Metaverse-Zukunft gerüstet zu sein.

Facebook/Reuters

Wie digitale Paralleluniversen Teil unseres Alltags werden könnten, haben Science-Fiction-Filme, Computerspiele und Plattformen wie Second Life längst aufgezeigt. Mit dem Einstieg großer Techkonzerne wie Facebook und Microsoft, die an ihrem eigenen "Metaverse" bauen, dürfte es nun wirklich ernst werden. Auch andere große Marken sehen das Ganze als riesigen künftigen Marktplatz und investieren Millionen in digitale Grundstücke, wo sie ihre virtuellen Megastores errichten wollen.

Währenddessen wird bereits eifrig mit digitalen Kunstwerken, den sogenannten Non-Fungible Tokens (NFTs), gehandelt. Neue Kryptowährungen werden erfunden, um in Games Utensilien kaufen zu können. Und auch die aus Second Life bekannten Avatare, mit denen man virtuelle Welten mit seinem digitalen Abbild erkunden kann, sind zurück. Und mit ihnen werden die ersten Probleme sichtbar. Eine Testerin machte öffentlich, in Facebooks Metaverse sexuell belästigt worden zu sein.

Für Empörung sorgte zuletzt auch eine Plattform, die Albencover als NFTs verkaufte, ohne die Musikerinnen und Musiker um ihr Einverständnis gefragt zu haben. Bekleidungshersteller Nike wiederum klagte einen Verkäufer von nicht autorisierten Sportschuhbildern als NFT.

Unrecht im virtuellen Metaverse

Doch was tun, wenn einem im Metaverse ein Unrecht widerfährt, man betrogen oder gemobbt wird? Unter Rechtsexperten fällt die Antwort eindeutig aus. "Das Metaverse ist natürlich kein rechtsfreier Raum. Es gelten dieselben Regeln, wie wir sie aus der physischen Welt und dem Internet – Stichwort E-Commerce, Wettbewerbsrecht, Datenschutz und Hass im Netz – bereits kennen", sagt Arthur Stadler von Stadler Völkel Rechtsanwälte im Gespräch mit dem STANDARD.

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Werden wir künftig als Avatare shoppen gehen? Auch erste Fälle von sexueller Belästigung gibt es.
Foto: AP

Diese Ansicht vertritt auch Lukas Feiler von der Kanzlei Baker & McKenzie: "Das Recht ist seinem Wesen nach technologieneutral formuliert. Praktisch alle Sachverhalte in der virtuellen Welt lassen sich mit den bestehenden rechtlichen Instrumenten gut fassen." Wenn man etwa Sportschuhe im virtuellen Raum verkaufe und diese unberechtigterweise mit einer geschützten Marke oder einem daran angelehnten Logo bewerbe, sei das eine Markenrechtsverletzung wie im physischen Raum.

Dass Unternehmen, die Millionen in das Metaverse investieren, alles tun werden, um dort ihre Markenrechte, aber auch ihre Geschäftsinteressen und ihre Reputation zu schützen, steht für die beiden Rechtsexperten außer Frage.

Verbraucher besonders geschützt

Für Konsumenten wiederum gilt in den virtuellen Universen das recht strenge heimische Verbraucherschutzrecht, selbst wenn hinter dem Händler oder der verwendeten Plattform ein US-amerikanisches oder asiatisches Unternehmen steht. "Wer im Metaverse etwas erwirbt, muss sich genauso darauf verlassen können, dass das Produkt richtig beschrieben und keine irreführenden Geschäftspraktiken angewendet wurden", erklärt Stadler. Im Normalfall besitze man auch ein 14-tägiges Widerrufs- beziehungsweise Rücktrittsrecht.

Der Verkäufer könne dies bei digitalen Inhalten zwar ausschließen oder zeitlich reduzieren, müsse dabei aber strenge Vorschriften einhalten. Das treffe beispielsweise auch auf NFTs zu und werfe einige spannende rechtliche Fragen auf. "Zu klären ist etwa, wer im Falle eines zustehenden Verkaufsrücktritts für die teilweise hohen Gebühren aufkommt, die bei der digitalen Transaktion über die Blockchain anfallen", sagt Stadler.

Theorie vs. Realität

So schön die Theorie des rechtlich geregelten Raumes klingt – in der Praxis wird gerade im Metaverse einiges Unrecht ungeahndet bleiben oder nur mit großem finanziellem Risiko und Aufwand bekämpft werden können. Das zeigen aktuell etwa die jahrelangen Verfahren rund um Datenschutzrechte oder Hass im Netz. Aber auch wer schon einmal einem betrügerischen Webshop in die Falle gegangen ist, ein Problem mit einer ausländischen Kryptoplattform hatte oder auf Willhaben übers Ohr gehauen wurde, hat meist keine Möglichkeit, seinen Schaden realistischerweise einzuklagen.

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Wie die Metaversen sich manifestieren und Konzerne überhaupt damit Geld verdienen können, muss sich erst zeigen.
Foto: TYRONE SIU/Reuters

"Die rechtlichen Rahmenbedingungen nützen natürlich wenig, wenn ich faktisch nicht auf den Täter komme, etwa weil ich nur eine E-Mail-Adresse oder einen Avatar kenne. Auch wenn es sich um eine Firma mit Sitz in China oder ein Unternehmen handelt, das Insolvenz angemeldet hat, ist es faktisch schwierig, die theoretisch möglichen Rechtsansprüche durchzusetzen", gibt auch Stadler zu bedenken.

Dass Themen wie Mobbing, Hassrede bis hin zu sexueller Belästigung in der virtuellen Welt massive Auswirkungen auf Personen in der realen Welt haben können, steht für den Rechtsanwalt außer Frage. "Im Detail muss man freilich den Sinn und Zweck einer bestehenden Strafnorm hinterfragen und klären, inwiefern damit der Schutz der körperlichen und digitalen Integrität in der realen Welt wie auch im Metaverse durchgesetzt werden soll. Um viele dieser Fragen geht es auf Plattformen wie Facebook aber ohnehin schon jetzt", sagt Stadler im STANDARD-Interview.

Keine neuen Gesetze notwendig

Hoffnung legen die Rechtsexperten in den Digital Services Act (DSA) der EU. Mit dem geplanten Gesetzestext sollen die großen Digitalkonzerne stärker in die Pflicht genommen werden, was das entschiedene Vorgehen gegen Hass im Netz, Gewaltandrohungen, aber auch gefälschte Produkte, Urheberrechtsverletzungen und illegale Werbung angeht. All diese Bereiche werden auch in den Metaversen eine wichtige Rolle spielen.

"Ich bin überzeugt davon, dass sich auch in den virtuellen Welten der Rechtsstaat etablieren wird. Gesellschaftlich ist dies auch notwendig, um sich in diesen frei bewegen und sie genießen zu können", sagt Anwalt Feiler zum STANDARD. Wie Stadler plädiert er allerdings dafür, nicht eine Vielzahl an neuen Gesetzen zu schaffen, sondern dafür zu sorgen, dass bestehendes Recht tatsächlich vollzogen wird. "Das ist auch eine Kostenfrage. Behörden und die Justiz müssen dafür entsprechend ausgestattet sein – sowohl personell als auch was die Fachkenntnis für neue Technologien betrifft."

Dass sich die digitalen Parallelwelten in der einen oder anderen Formen materialisieren werden, steht für Feiler außer Frage. Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig die physische Präsenz auch auf emotionaler Ebene sei. "Gleichzeitig verwenden wir virtuelle Räume heute anders, als wir uns das bis vor kurzem vorstellen konnten. Diese neuen Formen der menschlichen Interaktion werden uns nicht nur erhalten bleiben, sondern signifikant mehr werden", ist Feiler überzeugt. (Martin Stepanek, 8.2.2022)