Außenminister Alexander Schallenberg traf den armenischen Premierminister Nikol Paschinjan.

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Auch wenn der brüchige Frieden im Kaukasus von der Ukraine-Krise überschattet zu sein scheint: In aktuellen geostrategischen Konflikten spielt der Landstrich zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer eine gewichtige Rolle. Zu groß sind hier die Interessen verschiedenster Akteure, zu frisch die Wunden jüngster Gewaltausbrüche, als dass die Region tatsächlich aus dem Blickfeld der Politik geraten könnte.

In besonderem Maß gilt das für das kleine Binnenland Armenien mit seiner Bevölkerung von knapp drei Millionen Menschen, wo Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg diese Woche einen zweitägigen Besuch absolvierte. Schallenberg verwies dabei auf das Interesse Österreichs und der EU an einem "friedlichen, stabilen und prosperierenden" Südkaukasus. Gerade im Fall Armeniens ist das keine einfache Mission, zumal auch dem Land selbst ein diplomatischer Balanceakt abverlangt wird.

Moskau und der eigene Weg

Einerseits ist die wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik von Russland ein geopolitisches Faktum, ohne dessen Berücksichtigung in Eriwan schlicht keine Politik zu machen ist. Gleichzeitig aber ist im Ringen um eine transparente Demokratie – die jüngsten Wahlen wurden von der OSZE weitgehend positiv beurteilt – auch der Versuch zu erkennen, eigene Wege zu gehen.

Eine Verfassungsänderung, die 2015 viele Kompetenzen vom Staatspräsidenten auf den Regierungschef verlagert hatte, bildete den Auftakt für die "Samtene Revolution" von 2018. Ex-Präsident Sersch Sargsjan sollte Premier werden – und so der starke Mann im Land bleiben. Das Volk aber spielte nicht mit: Nach breiten Protesten wurde der ehemalige Journalist Nikol Paschinjan zum Regierungschef gewählt. Heute, zwei Parlamentswahlen später, ist Paschinjan weiterhin im Amt.

Alte Konflikte, neue Gewalt

Die Kräfteverhältnisse in der Region werden aber auch noch von anderen Akteuren bestimmt: von Aserbaidschan, mit dem Armenien erst 2020 wieder einen mehrwöchigen Krieg um Bergkarabach geführt hatte, und von der Türkei, die als Schutzmacht Aserbaidschans gilt.

Der Krieg von 2020 hatte mehr als 6.500 Todesopfer gefordert, Armenien verlor weite Teile des umstrittenen Gebiets. Die Beziehungen zwischen Eriwan und Ankara sind aber auch durch den Genozid an bis zu 1,5 Millionen Armenierinnen und Armeniern im Ersten Weltkrieg schwer belastet.

Der Versuch einer Annäherung beider Länder, der im Jänner mit einer Gesprächsrunde in Moskau begann, wird auch von Österreich unterstützt. Schallenberg, der in Eriwan mit seinem Amtskollegen Ararat Mirsojan und mit Premier Paschinjan zusammentraf, bot Wien als Tagungsort für das nächste Treffen an. Beide Seiten haben zugesagt, als Termin gilt der 24. Februar.

Der Besuch stand aber auch im Zeichen der wirtschaftlichen Beziehungen: Schallenberg wurde von einer 20-köpfigen Wirtschaftsdelegation nach Armenien begleitet. Zudem stand die Eröffnung eines Kooperationsbüros der Austrian Development Agency (ADA) auf dem Programm, über die Projekte der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit realisiert werden. (Gerald Schubert aus Eriwan, 4.2.2022)