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Russische Jets wurden unlängst aus dem Landesosten auf Militärflugplätze in Belarus nahe der polnischen Grenze gebracht.

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Kiew/Moskau – Wenige Tage vor Beginn eines umstrittenen Militärmanövers hat Russland Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-25SM nach Belarus verlegt. Das Manöver soll vom 10. bis 20. Februar stattfinden. Moskau und Minsk wiesen Vorwürfe des Westens zurück, dass die Übung der Vorbereitung eines Einmarschs in der Ukraine dienten. Unterdessen trafen am Samstag die ersten US-Verstärkungstruppen, die Präsident Joe Biden wegen der Ukraine-Krise nach Polen schickte, im Nachbarland von Belarus ein.

Das bestätigte ein polnischer Armeesprecher der Nachrichtenagentur PAP. Ein Flugzeug vom Typ Beechcraft C-12 Huron sei am Vormittag mit einer kleineren Gruppe von Soldaten am Flughafen in Jasionka bei Rzeszow angekommen. US-Präsident Biden hatte die Aufstockung angekündigt, um die Ostflanke der Nato angesichts der Konzentration russischer Truppen in der Nähe der Ukraine zu stärken.

Das Hauptkontingent der zusätzlichen US-Soldaten für Polen wird am Sonntag erwartet. Insgesamt sollen aus den Vereinigten Staaten 1.700 Soldaten in das Nato-Partnerland entsandt werden, weitere 300 nach Deutschland. Aus Deutschland wiederum sollen 1.000 US-Soldaten nach Rumänien verlegt werden. Die Soldaten, die in Polen stationiert werden, gehören nach PAP-Angaben der 82. US-Luftlandedivision an.

Moskau spricht von Übungen

Unterdessen wurden russische Kampfjets über 7.000 Kilometer aus der Region Primorje am Japanischen Meer auf Militärflugplätze im Gebiet von Brest nahe der polnischen Grenze gebracht, wie das russische Verteidigungsministerium am Samstag in Moskau mitteilte. Zu ihrer genauen Zahl machte das Ministerium keine Angaben.

Die Militärführungen in Belarus und Russland hatten immer wieder betont, die Truppenverlegung habe reinen Übungscharakter, sei für niemanden eine Bedrohung und stehe im Einklang mit internationalem Recht. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu versicherte, dass die Gesamtzahl der Soldaten bei dem Manöver eine 2011 festgeschriebene Höchstzahl nicht überschreite. Damit könnten maximal 13.000 Soldaten, 300 Panzer, 500 gepanzerte Fahrzeuge und 3.500 Fallschirmjäger dabei sein.

Kampftraining in Tschernobyl

Die ukrainische Armee trainiert unterdessen angesichts der Sorgen vor einem möglichen russischen Einmarsch nun auch in der radioaktiv verseuchten Zone rund ums ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl den Häuserkampf. Innenminister Denys Monastyrskyj betonte am Freitagabend, dass es sich um die erste solch große Übung in der Sperrzone handle. In einem Video zeigte die Behörde den Einsatz von Mörsern und das Vorrücken von Nationalgardisten mit gepanzerten Fahrzeugen in der geräumten Stadt Prypjat. Ebenfalls geübt wurde die Bergung von Verwundeten und das Entschärfen von Minen.

Das Unglück von Tschernobyl gilt als die größte Katastrophe in der zivilen Nutzung der Atomkraft. Hunderttausende wurden zwangsumgesiedelt. Damals gehörte die Ukraine noch zur Sowjetunion.

Wegen des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten warnt der Westen seit Wochen vor einer Invasion. Der Kreml bestreitet regelmäßig, überhaupt solche Pläne zu haben. Als eines der Szenarien wird immer wieder ein Einmarsch aus dem Nachbarland Belarus durch das radioaktiv belastete Gebiet um das 1986 havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl genannt. Die ukrainische Hauptstadt Kiew liegt nur knapp 70 Kilometer von der Sperrzone und etwas mehr als 80 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt. Für möglich wird auch gehalten, dass die russische Seite Ängste schüren will, um die Nato zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.

Deutschland verweigert Waffenlieferung

Der Kreml warnte angesichts der Spannungen vor Falschmeldungen und Panikmache in westlichen Medien. Zuvor hatte ein US-Medium bereits den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine gemeldet – nach eigenen Angaben aus Versehen. Dies zeige einmal mehr, wie gespannt und gefährlich die Lage sei, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Staatsagentur Tass. Die Spannungen würden "provoziert durch tägliche aggressive Mitteilungen, die wir aus Washington, aus den europäischen Hauptstädten, aus London hören".

Die Ukraine bat die deutsche Bundesregierung unterdessen nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" um Flugabwehr-Raketensysteme mittlerer Reichweite, tragbare Flugabwehr-Raketensysteme, Anti-Drohnen-Gewehre, Mikrowellen-Zerstörungssysteme, elektronische Ortungssysteme, Nachtsichtgeräte, Überwachungskameras und Munition. Es werde betont, dass es sich um "Waffensysteme defensiver Natur" handle. Die deutsche Regierung lehnt solche Lieferungen ab.

Schröders Engagement für Russland

Auch der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht derartige Lieferungen kritisch: Er hatte zuletzt zur großen Freude Moskaus die Forderungen der Ukraine nach Waffenlieferungen angesichts der schweren Spannungen mit Russland als "Säbelrasseln" kritisiert. Zudem gab er der Nato eine Mitschuld am russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze. Seine Parteinahme für Russland hatte in Deutschland breite Kritik ausgelöst. Die kürzliche Ankündigung seiner Bestellung in den Aufsichtsrat des russischen Staatskonzerns Gazprom führt nun zu Forderungen, ihm in Deutschland die Unterstützung zu streichen.

Altkanzlern wie Altbundespräsidenten steht eine Ausstattung etwa mit Büros und Personal in Berlin zu. Nach FDP und CSU fordert auch der Steuerzahlerbund Konsequenzen für die dem 77-Jährigen als Altkanzler zustehende Ausstattung. Schröder solle auf sein staatlich bereitgestelltes Büro, Mitarbeiter und Dienstwagen verzichten, sagte der Vizepräsident des Steuerzahlerbundes, Michael Jäger, der "Bild-Zeitung". Kritik kam auch von den Grünen und der CDU.

Bestehendes Engagement für russisches Gas

Schröder ist Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG. Beide Gasleitungen unter der Ostsee verbinden Russland und Deutschland. Außerdem ist Schröder Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller sagte der "Bild-Zeitung", es werde einmal mehr offenbar, wessen Interessen Schröder vertritt – "die der russischen Oligarchie um Putin. Das sollte Konsequenzen haben". Der Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), vermutet Kalkül des Kremls hinter der Nominierung Schröders für den Gazprom-Aufsichtsrat. Damit werde "die ungeklärte und eigenartige Position von Teilen der SPD in Bezug auf Russland" deutlich, sagte er dem "Handelsblatt". "Die Nominierung Schröders ist somit auch als Schachzug Russlands zu sehen, die deutsche Regierung in ihrer Haltung zum Stopp von Nord Stream 2 als potenzielles Sanktionsmittel zu spalten und somit Deutschland insgesamt zu diskreditieren."

Schriftstellerinnen für Waffenlieferungen

Die beiden Literatur-Nobelpreisträgerinnen Herta Müller (68) und Swetlana Alexijewitsch (73) sprachen sich unterdessen in einem gemeinsamen Interview für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine aus. "Gerade die Deutschen mit ihrer Geschichte müssen der Ukraine helfen", sagte die deutsche Autorin Müller in dem Gespräch mit dem "Spiegel". "Was wollen die deutschen Politiker jetzt der Ukraine schicken? Helme? Das ist doch eine Blamage vor der ganzen Welt!" Es sei wichtig, dass sich die Ukrainer jetzt verteidigen können.

Auch die belarussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch sprach sich für Waffenlieferungen zur Selbstverteidigung aus. "Die Ukraine sollte aus diesem Konflikt als Sieger hervorgehen, das ist wichtig für die Demokratie in der Ukraine und auch in Belarus." Müller wurde 2009 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet, Alexijewitsch im Jahr 2015. (APA, red, 5.2.2022)