Protest gegen FGM in Madrid.

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200 Millionen Mädchen und Frauen haben weltweit FGM erfahren, täglich kommen rund 7.000 Mädchen dazu. Die Vereinten Nationen machen zum Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar darauf aufmerksam, dass die Covid-Pandemie Fortschritte im Kampf gegen FGM zunichtemachen könnte. Denn wenn Mädchen keinen Zugang zu Schulen oder Gemeindenetzwerken haben, steigt laut UNICEF das Risiko einer weiblichen Genitalverstümmelung.

FGM (Female Genital Mutilation) bezieht sich auf alle Vorgänge, bei denen die weiblichen Genitalien aus nicht medizinischen Gründen verändert oder verletzt werden. 2003 wurde bei einer Konferenz des Inter-African Committee in Addis Abeba der Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung ausgerufen. Zu den schweren psychischen Belastungen aufgrund der traumatischen Erfahrungen einer Genitalverstümmelung kommen zahlreiche physische Leiden: Wiederkehrenden Harnwegsinfekte, Schmerzen beim Urinieren und Menstruieren, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, chronische Beckeninfektionen und in Folge dessen Unfruchtbarkeit und/oder Eileiterschwangerschaften sowie Komplikationen bei der Geburt.

Rückschläge im Kampf gegen FGM

Auch die internationale Hilfsorganisation Care warnt vor den Corona bedingten Auswirkungen auf Gewalt gegen Mädchen wegen eingeschränkter medizinischer Hilfe und Bildung. Auch würden etwa in Somalia die Mädchen zum Zeitpunkt einer Genitalverstümmelung immer jünger, heißt es in einer Aussegnung von Care Österreich.

Daten der Nationalen Statistikbehörde von Somalia zeigen innerhalb eines Jahres einen Anstieg von rund 17 Prozent bei der Durchführung von Genitalverstümmelung an Mädchen zwischen fünf und neun Jahren. In dieser Altersklasse werden inzwischen 88 Prozent der Mädchen beschnitten. Care fordert daher die somalische Regierung dazu auf, sich "endlich gemeinsam für die Abschaffung von Genitalverstümmelung einzusetzen."

"Die Covid-19-Pandemie schränkt ihre Rechte und ihre Selbstbestimmung stark ein: Mädchen können nicht zur Schule gehen und erhalten kaum Aufklärung und medizinische Unterstützung für ihre reproduktive Gesundheit", erklärt Abdullahi Iman, Care-Länderdirektor in Somalia.

In Somalia trägt weibliche Genitalverstümmelung zu einer der höchsten Müttersterblichkeitsraten weltweit bei – mit 692 Todesfällen bei 100.000 Geburten. Um Todesfälle zu verhindern, müsse es gelingen, dass junge Frauen ihr erstes Kind nicht zu früh bekommen. Gleichzeitig brauche es eine bessere medizinische Versorgung sowie ein strenges Verbot der Genitalverstümmelung, die häufig zu tödlichen Komplikationen rund um die Geburt führt. Care arbeitet mit Mädchen und Gemeinden in Somaliland, Puntland und in Galmudug zusammen, um ein stärkeres Bewusstsein für die Rechte von Mädchen und Frauen zu schaffen.

6000 – 8000 Betroffene in Österreich

Auch in Österreich sind Frauen betroffen. Laut Schätzung des Gesundheitsministeriums leben in Österreich 6.000 bis 8.000 Frauen und Mädchen, die von FGM betroffen sind. Ein Drittel davon in Wien. Ein zentraler Ansatzpunt im Kampf gegen FGM müsste von den betroffenen Communities selbst ausgehen, heißt es in einer Aussendung der österreichischen Plattform "Stop FGM", die von der SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr gegründet wurde. Bei einem Pressetermin aus Anlass des Internationalen Tages gegen FGM berichteten Repräsentant*innen aus unterschiedlichen afrikanischen Communities von ihrer Arbeit in der Aufklärung gegen FGM.

Und in dieser spielen auch Männer eine zentrale Rolle. Muhammad Aledeh ist Pfleger in der Klinik Donaustadt und leitet Gruppen mit jungen Männern zum Thema Männer gegen FGM im Rahmen des Projekts "Intact Men": "Bei der Aufklärung von Buben und Männern über FGM steht im Vordergrund sie zu sensibilisieren und zu stärken, da ihre aktive Zusammenarbeit erforderlich ist, um weibliche Genitalverstümmelung zu stoppen." Asha Abdi Osman vom Verein "Nachbarinnen "in Wien arbeitet in der muttersprachlichen Begleitung von migrantischen Familien und ist Obfrau vom somalischen Frauenverein "Wadajir" in Wien. Sie kennt die Probleme von betroffenen Frauen: "Nicht nur FGM führt zu psychischen Belastungen bei den Betroffenen, sondern auch andere Faktoren wie finanzielle Sorgen, Unsicherheiten und andere schwierige Umstände."

"Die unschätzbare Arbeit von Menschen aus der Community in ihren jeweiligen Communities ist der Schlüssel zur Beendigung von weiblicher Genitalverstümmelung", so Petra Bayr. Es sei Aufgabe der Politik, diese Arbeit zu ermöglichen, sie zu fördern und eine Vernetzung zwischen den einzelnen Akteur*innen zu stärken.

Bis 2030 sollte Schluss sein

Die Grünen fordern für die bestehenden Beratungsstellen langfristige Förderverträge. Denn Aufklärungsarbeit in den Communities erfordere viel Feingefühl und somit auch Zeit, heißt es in einer Aussendung der Frauensprecherin der Grünen Wien, Viktoria Spielmann, und der Menschenrechtssprecherin der Grünen Wien, Berivan Aslan.

Weibliche Genitalverstümmelung bedeutet für die betroffenen Frauen ein Leben lang psychische und körperliche Schmerzen, so die Politikerinnen. Die Wiener Beratungsstellen, die mit den betroffenen Frauen und Mädchen arbeiten, würden wichtige "kleinteilige Sensibilisierungsarbeit" leisten. "Die Beraterinnen brauchen vor allem ausreichend Zeit, um mit den betroffenen Frauen ein Vertrauensverhältnis aufbauen zu können und sie dafür zu sensibilisieren, dass FGM eine Verletzung ihrer Rechte ist", sagt Berivan Aslan. Das wichtigste Ziel sei, Frauen davon abzuhalten, ihre eigenen Töchter beschneiden zu lassen. Außerdem müsste FGM als Fluchtgrund anerkannt werden.

Genitalverstümmelungen bis zum Jahr 2030 zu beenden gehört zu den Geschlechtergleichstellungszielen im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen. (red, 26.2.2022)