Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Mann markiert mit Holzstäben eine überflutete Landschaft in dem Dorf Vohiparara.

Foto: REUTERS/ALKIS KONSTANTINIDIS

Erst zwei Tage nachdem der mit Schrecken erwartete Zyklon Batsirai die afrikanische Insel Madagaskar überquert hat, stellt sich das ganze Ausmaß der Verwüstung heraus. "Es war, als ob wir einem Bombenangriff ausgesetzt gewesen wären", berichtet Willy Raharijaona, der technische Berater eines hochrangigen Politikers, aus dem ostmadagassischen Küstenstädtchen Nosy Varika: "Die Stadt ist zu 95 Prozent zerstört, die Dächer der Backsteinhäuser sind weggeblasen und die Holzhütten zerlegt." Auch Fianarantsoa sei weitgehend verwüstet, berichtet eine Bewohnerin der rund 200 Kilometer weiter im Landesinneren gelegenen Stadt. "Strommasten sind umgefallen, Bäume entwurzelt, ganz Fianarantsoa steht unter Wasser", sagt Nirina Rahaingosoa.

Bislang seien zwanzig Todesfälle bestätigt worden, teilt Anja Andriamorasata von der Hilfsorganisation Humanité & Inclusion im Gespräch mit dieser Zeitung mit. Es sei zu erwarten, dass diese Zahl noch deutlich ansteige. Mehr als 55.000 Menschen hätten ihr Zuhause verloren: Auch diese Zahl werde gewiss noch nach oben korrigiert werden müssen. Bereits vor zehn Tagen war der Wirbelsturm Ana über Madagaskar gefegt: Er hatte mehr als 60 Menschen getötet und über 130.000 Hütten und Häuser zerstört.

Riesige Regenmengen

Batsirai erreichte die madagassische Küste mehrere Hundert Kilometer weiter südlich von Ana: Jener Sturm war direkt über die Hauptstadt Antananarivo gefegt und hatte dort erhebliche Verwüstung angerichtet. Mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 160 km/h war Batsirai nicht nur als Sturm, sondern als "schwerer tropischer Zyklon" eingestuft worden – die zweithöchste Kategorie eines Wirbelsturms. Schätzungen zufolge fielen in seinem Verlauf bis zu 600 Liter Niederschlag pro Quadratmeter vom Himmel: so viel wie in etwa in Süddeutschland in neun Monaten abregnet.

Nach den Worten des madagassischen Umweltministers Vahinala Raharinirina handelte es sich bei Batsirai um den stärksten Sturm seit 17 Jahren. Zahlreiche Dörfer seien völlig weggespült worden. In dem knapp 100 Kilometer nördlich von Nosy Varika gelegenen Küstenstädtchen Mahanoro wurde ein Friedhof überschwemmt: Hinterbliebene eilten zu der Begräbnisstätte, um die freigelegten Gebeine ihrer Toten zu bergen. "Vor wenigen Tagen war das Meer noch weit entfernt", sagte die 54-jährige Witwe Marie Viviane Rasoanandrasana der Nachrichtenagentur AFP: Jetzt müsse sie eine zweite Beerdigung für ihren verstorbenen Ehemann und ihre Tochter arrangieren. "Als ob wir nicht genug andere Probleme hätten."

Auch Dürre ist ein Problem

Immerhin brachte Batsirai auch eine gewisse Erleichterung: Im Süden Madagaskars herrscht seit sechs Jahren eine Jahrhunderttrockenheit, dort wurden jährlich nur durchschnittlich 16,5 Zentimeter Niederschlag gemessen. Die Dürre sei allerdings noch längst nicht gebrochen, meint Anja Andriamorasata: Vielmehr habe der Sturm noch weitere Schäden angerichtet.

Zyklone sind in Madagaskar keine Seltenheit: Zwischen November und April pflegen sich im westlichen Teil des Indischen Ozeans Dutzende von Stürmen zu bilden. Allerdings nehme deren Stärke und Frequenz inzwischen zu, sagen Fachleute: Bereits 2017 und 2018 wurden in Madagaskar bei drei ungewöhnlich starken Stürmen fast 150 Menschen getötet. In diesem Jahr droht die Bilanz noch schlimmer auszufallen.

Umstritten ist unter Wissenschaftern die Frage, ob auch die sechsjährige Dürre mit der Klimaerwärmung zusammenhängt. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie des World Weather Attribution (WWA), einem weltweiten Zusammenschluss von Klimatologen, spielt die Erderwärmung nur eine untergeordnete Rolle bei der Hungersnot, von der rund eine Million Menschen betroffen sind. Dagegen sei der Einfluss der Armut und der Covid-Pandemie höher zu veranschlagen. Anders die zunehmende Intensität der Zyklone: Dieses Phänomen wird allgemein auf die Klimaerwärmung zurückgeführt. (Johannes Dieterich, 7.2.2022)