Die WKStA begehrt die Auslieferung von ÖVP-Klubobmann August Wöginger, um gegen ihn ermitteln zu können.

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Nach Altkanzler Sebastian Kurz und Ex-Finanzminister Gernot Blümel ist nun mit August Wöginger der nächste prominente ÖVP-Politiker ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geraten. Er wird der Anstiftung zum Amtsmissbrauch verdächtigt, ein entsprechendes Auslieferungsbegehren ging vergangene Woche im Parlament ein.

Im Fokus steht die Besetzung eines Finanzamts in Oberösterreich. Die WKStA vermutet, dass Wöginger hier bei Thomas Schmid, damals Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzressort, interveniert und laut WKStA "seinem parteipolitisch motivierten Besetzungswunsch Nachdruck" verliehen haben soll. Das wertet die Staatsanwaltschaft als Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Die Causa ist im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Steuerangelegenheit des Unternehmers Siegfried Wolf aufgepoppt, wie es in einem Amtsvermerk heißt. DER STANDARD betont, dass für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt.

Telefonate mit Schmid

Bei der Auswertung von Chats stießen die Ermittler auch auf solche zwischen Schmid und Wöginger, der damals Vizeklubobmann war und mittlerweile Klubobmann der ÖVP im Nationalrat ist. Schon am 13. Dezember 2016 bat Wöginger den Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, um einen Rückruf wegen des Kandidaten, eines ÖVP-Politikers und Bürgermeisters einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde, der bei einer Sprechstunde mit Wöginger über seinen Berufswunsch gesprochen hatte. Der Oberösterreicher Wöginger war damals unter anderem auch ÖVP-Bezirksparteiobmann in Schärding.

Der Job, um den es ging: Am 24. Dezember 2016 wurde die Leitung des Finanzamts Braunau–Ried–Schärding ausgeschrieben, gesucht war jemand mit "Berufserfahrung, Fach- und Managementwissen, Lösungs- und Umsetzungskompetenz". Und: Bei gleicher Eignung musste gemäß Gleichbehandlungsklausel die Bewerberin genommen werden. Eine solche gab es auch, nämlich die bisherige Fachvorständin genau dieses Finanzamts. Sie war Stellvertreterin des bisherigen Chefs und leitete die Behörde interimistisch ab dessen Pensionierung.

ÖVP-nahe Begutachtungskommission

Am 13. Februar 2017 ab 10.30 stellte sich die Frau einem Hearing, wann der Bürgermeister dran war, ist der WKStA derzeit nicht bekannt. Das Vorsprechen der Finanzbeamtin bestand aus einer zehnminütigen Präsentation und einer Fragerunde – und fast alle Mitglieder der Begutachtungskommission wiesen ein Naheverhältnis zur ÖVP auf. Der Vorsitzende war mit einer türkisen Landtagsabgeordneten verheiratet, dazu fanden sich drei Vertreter der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG).

Die Kommission beurteilte die Eignung der Bewerberin "großteils negativ" und sprach laut Amtsvermerk von "nicht überzeugenden rhetorischen Fähigkeiten" sowie einer "unstrukturierten und schlecht vorbereiteten Präsentation". Der Bürgermeister schnitt hingegen gut ab, ihm sei aufgrund der "erfolgreichen Ausübung des Bürgermeisteramts" Lösungs- und Umsetzungskompetenz attestiert worden.

Die Bewerberin räumt ein, dass sie beim Hearing sehr nervös gewesen sei und ein "Blackout" gehabt habe. Das sei aber auch daran gelegen, dass sie schon vor dem Hearing von Gerüchten gehört habe, wonach bereits feststehe, wer den Job bekommen solle, sagte sie später. Sie beschwerte sich nämlich gegen die Entscheidung, und das Bundesverwaltungsgericht stellte im April 2021 fest, dass bei der Beurteilung der Eignung "eklatante Mängel und Beurteilungswidersprüche" der Kommission vorgelegen seien.

Scharfe Worte vom Bundesverwaltungsgericht

Die Aussage eines Kommissionsmitglieds, wonach die gute Vernetzung des Bürgermeisters in der Region ein Vorteil sei, stimmte das Gericht sehr skeptisch, und es stellte die Frage in den Raum, ob das angesichts der für einen Finanzamtschef gebotenen Objektivität überhaupt ein Pluspunkt sei. Die Bewertung der beruflichen Erfahrungen durch die Kommission sei "noch bemerkenswerter", handle es sich bei der unterlegenen Bewerberin doch um jemanden mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Finanzverwaltung; bei ihrem erfolgreichen Konkurrenten hingegen um einen früheren Polizisten und Quereinsteiger. "Es erübrigt sich, auf die Sachlichkeit einer solchen Bewertung im Rahmen der Personalauswahl für eine leitende Tätigkeit in der Finanzverwaltung weiter einzugehen", hieß es in der Entscheidung. Die Finanzbeamtin sei "deutlich besser" geeignet gewesen.

Wöginger und Schmid freuten sich jedenfalls nach der Entscheidung in Schärding. "Wir haben es geschafft ) Der Bürgermeister schuldet dir was!", schrieb Schmid an Wöginger. Der antwortete mitsamt Smileys und Daumen hoch: "Echt super!! Bin total happy", und: "DANKESCHÖN". Am 3. April 2017 trat der neue Behördenleiter seinen Dienst an.

Ermittlungen und Auslieferungsbegehren

Was sagt Wöginger heute dazu? "Natürlich habe ich mich gefreut, dass für die Position jemand aus meiner Region zum Zug gekommen ist. Und ich habe ihn stets für einen qualifizierten und geeigneten Kandidaten für diese Position gehalten." Er habe die anderen Kandidaten (in Summe waren es damals sechs, Anm.) nicht gekannt, und er habe "auch zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die unabhängige Kommission, die entschieden hat, genommen".

Ermittelt wird wegen der Vorgänge im Frühjahr 2017 derzeit gegen Schmid und gegen vier der fünf Mitglieder der Begutachtungskommission. Sie sollen im Bewerbungsverfahren eine Kandidatin geschädigt haben, weil sie "aus parteipolitischen und somit sachfremden Motiven" den von Wöginger präferierten Kandidaten bevorzugt hätten. Bevor gegen Wöginger konkrete Ermittlungsschritte gesetzt werden können, muss der Nationalrat der Aufhebung der Immunität zustimmen.

Eine Entscheidung darüber könnte kontrovers diskutiert werden: Denn die WKStA schreibt selbst, dass "fallbezogen angesichts dieser Rechtslage Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Tat und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten August Wöginger vorliegen". Ein solcher Zusammenhang würde gegen die Auslieferung sprechen. Wöginger sagt dazu: "Es ist immer Sache des Immunitätsausschusses, über die Auslieferungen zu entscheiden. Hier wird nach klaren juristischen Kriterien vorgegangen, um festzustellen, ob ein politischer Zusammenhang gegeben ist. Dem werde ich nicht vorgreifen." (Renate Graber, Fabian Schmid, 7.2.2022)