Foto: Hi Records

Seine Nachbarschaft ließ ihm gar nicht viele Möglichkeiten. Schließlich wuchs Sylvester "Syl" Johnson in den 1950ern in der Southside von Chicago auf. Es war jene Gegend, in der hinter jeder zweiten Tür ein berühmter Blues-Musiker zu wohnen schien. So war es kein Wunder, dass der 1936 in Mississippi geborene und in Chicago aufgewachsene Syl bald selbst den Blues spielte. Als Sideman von Howlin' Wolf, Junior Wells und anderen, die nicht selten auf dem in der Stadt beheimateten Label Chess Records ihre Lieder veröffentlichten.

Doch in den 1960ern war der Blues zusehends weniger angesagt. Der urbanere Soul löste ihn ab, Johnson begann Mitte des Jahrzehnts für das kleine Label Twinight/Twilight aufzunehmen, wo ihm 1967 mit Come and Sock it to Me und Different Strokes zwei Hits gelangen. Syl war im Geschäft, der Zeitgeist günstig und davon beflügelt veröffentlichte er 1969 Is It Because I'm Black, ein siebenminütiges Lamento über den alltäglichen Rassismus in den USA. Ein Song, der aufgrund seiner leider zeitlosen Aktualität eine Renaissance in der Black Lives Matter Bewegung erfuhr.

Take Me to the River

1972 tat er sich mit Willie Mitchell zusammen. Mitchell war unten in Memphis der Chef von Hi Records. Der erfahrene Bandleader hatte damals Erfolge mit O. V. Wright, Ann Peebles oder Al Green – Syl Johnson sollte ein weiterer Star seines Labels werden.

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Das gelang nicht ganz, was aber nicht an der Qualität Johnsons lag, sondern daran, dass Mitchell alle anderen Künstler Al Green nachreihte, der in den frühen 1970ern zum Weltstar aufstieg. Immerhin gelang Johnson mit dem von Green geschriebenen Take Me to the River ein Hit, die Alben Back for the Taste of Your Love, Diamond in a Rough und Total Explosion stehen den Großtaten Greens in nichts nach, und dass Johnson als Blues-Mann hin und wieder die Harmonika blies, arbeitete seiner Unverwechselbarkeit gut zu.

Den Rest besorgte die Hi-House-Band die mit Johnson und ihrem federnd-faulen Sound großartige Songs produzierte: Anyway the Wind Blows, oder We Did It, I Want to Take You Home (To See Mama) und viele andere mehr.

Restaurants und Samples

Spätere Alben versuchten sich in Richtung Disco zu verbiegen, jene, die er in den 1980ern veröffentlicht hat, würde man mit einer Erwähnung über Gebühr werten. Der kommerzielle Erfolg war bescheiden, Johnson war aber ein umtriebiger Geschäftsmann und investierte in Immobilien und besaß im Großraum Chicago eine Restaurantkette.

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Ein ordentliches Zubrot sollen ihm Samples seines Werkes vonseiten unzähliger Hip-Hop-Acts beschert haben. Seine ebenfalls als Sängerin arbeitende Tochter Syleena Johnson war als Teenager von ihrem Pops dazu angehalten worden, Hip-Hop-Alben auf Samples von ihm zu durchforsten. Wurde sie fündig, und das soll sie sehr oft geworden sein, erhielt sie hundert Dollar, und es flatterte ein Anwaltsbrief beim Label ein. Auch die Wiener Hip-Hopper Urbs'n Chaoz sampelten 1997 für ihre Weltnummer Closer to God Syl Johnson.

Durch seine Wiederauferstehung über Samples im Hop-Hop ermutigt, nahm er selbst auch wieder Platten auf und tourte, vor 15 Jahren war er sogar in Wien zu erleben. Das US-amerikanische Label Numeros Group veröffentlichte 2010 eine fette LP-Box mit Arbeiten aus seinem Frühwerk sowie diverse Neuauflagen von diversen Singles in edlen Boxsets.

Im Alter von 85 Jahren ist Johnson nun in Chicago gestorben. (Karl Fluch, 7.2.2022)