In seinem Gastblog erkundet Alexander Fried die Bahnhöfe Wiens – und was davon heute noch übrig ist.

Der Erfolgszug der Eisenbahn erreichte von England aus im Laufe des 19. Jahrhunderts auch Kontinentaleuropa. Die Bahn war in der österreichisch-ungarischen Monarchie stark auf Wien ausgerichtet, so führten die wichtigen Bahnlinien sternförmig in die k. u. k. Reichs- und Residenzhauptstadt und wurden von privaten Unternehmen errichtet. Einen zentralen Umsteigebahnhof gab es nicht, stattdessen hatte jeder der Betreiber Interesse daran, seinen eigenen Bahnhof möglichst repräsentativ zu gestalten.

Westbahnhof

Fotos: 1910 ÖNB (bildarchiv.at), 2020 Fried

Über 150 Jahre lang war der 1858 als Kaiserin-Elisabeth-Westbahnhof eröffnete Kopfbahnhof das Tor der Wienerinnen und Wiener in den Westen. Der Haupteingang befand sich damals allerdings nicht wie heute am Gürtel, stattdessen gab es jeweils einen Ein- und Ausgang auf der südlichen und nördlichen Seite der Gleise. Das alte Bahnhofsgebäude wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt.

Symbol des Wiederaufbaus

Fotos: 1969 Fortepan / Nagy Gyula, 2022 Fried

Eine Instandsetzung des Bahnhofs wäre durchaus im Bereich des Möglichen gewesen. Dagegen sprach allerdings, dass der alte Bahnhof bereits sein Kapazitätslimit erreichte und die Gleisanlagen nicht mehr erweiterbar gewesen wären. Somit wurde er abgerissen und durch den 1951 eröffneten und heute noch existierenden Bahnhof ersetzt. Dieser wurde ab 2008 von Grund auf renoviert und bekam auf beiden Seiten jeweils einen Zubau.

Seine Rolle als wichtiger Fernbahnhof erfüllt der Bahnhof seit 2011 weitgehend nicht mehr: Mit der Eröffnung des Hauptbahnhofs enden Fernzüge nicht mehr hier, sondern werden über den Hauptbahnhof zum Flughafen beziehungsweise Richtung Osten durchgebunden.

Südbahnhof

Fotos: 1874 ÖNB (bildarchiv.at), 2021 Fried

Mit der Errichtung des Hauptbahnhofs endete auch die Geschichte des Südbahnhofs. Bereits seit den 1840er-Jahren befanden sich hier mit dem Raaber und dem Gloggnitzer Bahnhof zwei baulich getrennte Bahnhöfe in direkter Nachbarschaft Richtung Osten beziehungsweise Süden. Diese Trennung wurde auch bei der Neuerrichtung der Stationen in den 1870er-Jahren beibehalten – war Wien doch als Zentrum der Monarchie Start- und Enddestination der meisten Passagiere und somit ein Durchgangsbahnhof nicht notwendig.

Der Südbahnhof überstand den Zweiten Weltkrieg mit verhältnismäßig glimpflichen Zerstörungen. Dennoch wurde der Bahnhof ab 1956 abgerissen und durch eine Station ersetzt, die den Ost- und Südbahnhof in einem Gebäude vereinte, wenn auch mit weiterhin baulich getrennten Gleisanlagen. Die Kassenhalle des Neubaus befand sich auf dem weitläufigen Gelände des ehemaligen Bahnhofsvorplatzes. Erst durch den neuen Hauptbahnhof (Teileröffnung 2012), der sich etwas weiter westlich befindet, können Züge durchgebunden werden. Auf dem Gelände des alten Südbahnhofs entstand ein Wohn- und Geschäftsviertel, das Quartier Belvedere.

Nordbahnhof

Fotos: 1900 ÖNB (bildarchiv.at), 2018 Fried

Der Nordbahnhof in der Leopoldstadt galt als einer der prunkvollsten Wiener Bahnhöfe. Seine Blütezeit erlebte er in der Monarchie, als er für die Ankommenden aus den nördlichen und östlichen Kronländern die erste Station in der Hauptstadt war.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie besaß der einst größte und wichtigste der Wiener Bahnhöfe nicht mehr die Bedeutung von früher. Diese Entwicklung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Eisernen Vorhang beschleunigt. Die Kriegsruine diente in der Nachkriegszeit unter anderem noch als Filmkulisse, ehe sie 1965 abgerissen wurde.

Nordwestbahnhof

Fotos: 1887 ÖNB (bildarchiv.at), 2020 Fried

Unweit vom Nordbahnhof befand sich an der Taborstraße der 1872 errichtete Nordwestbahnhof. Von hier verkehrten Züge nach Böhmen und nach Deutschland. Nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns brachen die Passagierzahlen um zwei Drittel ein, weshalb der Personenverkehr am Nordwestbahnhof 1924 eingestellt und vom nahegelegenen Nordbahnhof übernommen wurde. Die nutzlos gewordene Empfangshalle nutzte man für Veranstaltungen, so diente sie in den Jahren 1927/28 sogar als Skihalle.

Während des Zweiten Weltkriegs nutzten die Nationalsozialisten die Bahnhofshalle für Propagandaausstellungen. Ab 1943 wurde der Personenverkehr wieder eingerichtet; nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der Bahnhof bis zur Wiedererrichtung der Nordbahnbrücke auch die Rolle des Nordbahnhofs. Das beschädigte Empfangsgebäude wurde 1952 abgetragen. Der endgültig letzte Personenzug verkehrte hier 1959, und das Areal wurde in den Folgejahren zu einem Güterterminal ausgebaut. In den nächsten Jahren soll auf dem weitläufigen Areal ein Wohnviertel entstehen.

Franz-Josefs-Bahnhof

Fotos: 1880 gemeinfrei, 2018 Fried

Der 1872 eröffnete Franz-Josefs-Bahnhof wurde auf dem Gelände des Palais Althan-Pouthon errichtet. Auch die nach Böhmen führende Franz-Josefs-Bahn hatte mit einem enormen Bedeutungsverlust nach dem Ersten Weltkrieg zu kämpfen.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Franz-Josefs-Bahnhof von Fliegerbomben getroffen, aber als erster Wiener Bahnhof wiedereröffnet, wenn auch ohne charakteristische Uhrtürme und mit geglätteter Fassade.

Ab den 60er-Jahren wurde auch ein Neubau des mittlerweile renovierungsbedürftigen Bahnhofs in Erwägung gezogen, welcher schließlich 1974 folgte. Bis in die 90er-Jahre verkehrten hier noch internationale Fernzüge, heute wird er nur noch als Regionalbahnhof verwendet.

Aspangbahnhof

Fotos: 1905 ÖNB/Ledermann (bildarchiv.at), 2020 Fried

Der Aspangbahnhof in Wien-Landstraße wurde 1881 eröffnet und ist nach der Endstelle der Bahn, dem niederösterreichischen Aspang, benannt. Von 1939 bis 1942 war der Bahnhof der Ausgangspunkt der Deportation von circa 50.000 Wiener Jüdinnen und Juden, woran heute ein Mahnmal erinnert.

1971 verließ der letzte Personenzug den Bahnhof, das Aufnahmegebäude wurde somit bedeutungslos und 1977 abgerissen. Das Areal blieb jahrzehntelang brachliegend, heute befindet sich hier ein Wohngebäude. (Alexander Fried, 11.2.2022)