Die Pandemie hält Menschen nicht davon ab, den Versuch der Selbstständigkeit zu starten. Besonders in den Sparten Gewerbe und Handwerk gründen viele.

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Wien – Die Pandemie scheint den Unternehmergeist der Wienerinnen und Wiener nicht zu bremsen, sondern eher anzufachen. Im Vorjahr gab es rund sechs Prozent mehr Firmengründungen als 2020, wie die Wirtschaftskammer Wien am Montag bekanntgab. Von den knapp 35.000 österreichweiten Neugründungen entfiel knapp ein Viertel auf den Wirtschaftsstandort Wien. "Der Unternehmergeist ist trotz Pandemie ungebrochen", sagte Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien (WKW).

Besonders viele Neugründungen gibt es laut der Kammer in den Sparten Gewerbe und Handwerk sowie Information und Consulting. Diese Entwicklung sei kein Nachholeffekt, Gründergeist hierzulande nehme zu. Vor allem der Digitalisierungsaspekt spiele für viele neu gegründete Unternehmen eine zentrale Rolle.

Scheitern nach drei Jahren

Dem Bild der zahlreichen Neugründungen steht allerdings ein gehäuftes Ausscheiden von Jungunternehmen entgegen. Nach drei Jahren gebe es besonders viele Unternehmen, die wieder aufgelöst werden müssten – rund ein Viertel der Gründungen betreffe dies. Auslöser dafür sieht Ruck in zu eng bemessenem Eigenkapital sowie der anfallenden Nachbemessung der Sozialversicherung.

Nach Gründung eines Unternehmens werden in den ersten Jahren die Sozialversicherungsbeiträge mit Mindestbeiträgen bemessen. Sobald die tatsächlichen Einkünfte mittels Einkommensteuerbescheides feststehen, werden die Beträge für die Pensionsversicherung nachbemessen. Da die Pensionsversicherung mit 18,5 Prozent einen wesentlichen Teil der Sozialversicherung ausmacht, sei es besonders wichtig, ausreichend hohe Rücklagen zu bilden, empfiehlt Ruck.

Unterstützung beim Eigenkapital

Wie die Pandemie offenbart, gibt es außerdem ein Problem bei der Eigenkapitalbildung und -erhaltung. Viele Unternehmen, vor allem in Wien, würden mit geringem Startkapital gegründet und hätten Schwierigkeiten dabei, ausreichend Kapital bereitzustellen, sagt Ruck. Eigenkapital ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens allerdings entscheidend – das wurde vor allem in der aktuellen Krise deutlich.

Um junge Unternehmen diesbezüglich zu unterstützen, soll noch im zweiten Quartal ein entsprechendes Maßnahmenpaket anlaufen, kündigt Ruck an. Teil des Konzeptes sei es, Eigenkapital-ähnliche Finanzierungen anzubieten – etwa durch stille Beteiligungen. An den Details werde noch gearbeitet. Die zentralen Fragen werden sein, bei wem man sich beteiligt und wie lange man die Beteiligung hält. Es handle sich bei den Maßnahmen um "ein Konzept aus den Lehren der Pandemie".

"Rohrkrepierer" Rot-Weiß-Rot-Karte

Eine weitere Initiative, speziell für Start-ups, steht ebenfalls in den Startlöchern. Born Global Academy soll das Projekt heißen und exportorientierten Start-ups dabei helfen, in den ausländischen Markt zu expandieren. Ein wachsendes Feld – Informationen der WK Wien zufolge plant rund ein Fünftel der heimischen Start-ups Exportaktivitäten, drei Viertel hätten bereits erste Schritte gemacht. Allerdings mangelt es besonders vielen Start-ups an qualifiziertem Fachpersonal.

Aktuelle Regelungen der Regierung, um qualifizierte Fachkräfte nach Österreich zu bringen, sieht der Präsident der WK Wien kritisch. Die Rot-Weiß-Rot Karte, die die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus einem Drittstaat vereinfachen soll, hält Walter Ruck etwa für einen "Rohrkrepierer". Etwas vielversprechender sei da schon die – geplante, aber noch nicht umgesetzte – Flexkap. Laut Barbara Havel, Vorsitzende der Jungen Wirtschaft Wien, könne die ehemals als Austrian Limited bekannte Rechtsform die Gründung attraktiver machen. Die Regierung kündigt immer wieder geplante Änderungen an, passiert ist bislang jedoch nicht viel. (Nicolas Dworak, 7.2.2022)