Auch der Khumbu-Gletscher am Mount Everest ist im Rückgang begriffen – wird aber bis 2035 sicher nicht verschwunden sein.

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Es war einer der unangenehmeren Fehler des Weltklimarats (IPCC). In dessen Bericht des Jahres 2007 stand zu lesen, dass die Gletscher des Himalaja bis zum Jahr 2035 sehr wahrscheinlich abgeschmolzen sein würden. Der Fehler wurde, wie es sich für ein seriöses Gremium von Fachleuten gehört, eingestanden und korrigiert: Es wird natürlich noch viel länger dauern, bis das ewige Eis des höchsten Gebirges der Welt verschwunden sein wird.

Dass es mit dem Eisschwund auch am höchsten Berg der Erde recht schnell geht, zeigte eine in der Vorwoche erschienene Untersuchung im Fachblatt "Nature": Der Gipfelgletscher auf der nepalesischen Seite des Mount Everest ist aufgrund der Erderwärmung drastisch zurückgegangen. Die Eisschicht des South Col Glacier dürfte in den vergangenen 25 Jahren 54 Meter an Dicke verloren haben, berichtet ein internationales Forscherteam.

Eine Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode ergab, dass die oberste Eisschicht etwa 2.000 Jahre alt war. Dieser Befund deutet darauf hin, dass der Gletscher mehr als 80-mal schneller schrumpft, als er für seine Entstehung benötigte.

Folgen des Gletscherschwunds

Was aber bedeutet dieser beschleunigte Gletscherschwund im Himalaja und anderen Teilen der Welt für den Anstieg des Meeresspiegels und für die Wasserversorgung von Milliarden von Menschen? Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass die abschmelzenden Gletscher rund ein Viertel des Meeresspiegelanstiegs von aktuell rund 3,7 Millimetern pro Jahr ausmachen. Bis zum Jahr 2100 könnte dieser Beitrag im ungünstigsten Szenario insgesamt 20 Zentimeter ausmachen. Da wären aber längst noch nicht alle Gletscher abgeschmolzen.

Die tatsächlichen Auswirkungen der Gletscherschmelze bis zum Jahr 2100 hängen sehr stark von der Größe der Eisspeicher und der Verteilung der Eisdicke ab, die nach wie vor häufig unsicher ist. Denn bisher wurden nur knapp 5.000 der über 217.000 Gletscher genauer vermessen, was ein Team um Romain Millan (Université Grenoble Alpes) geändert hat.

Weniger Masse als angenommen

Millan analysierte mit seinen Kollegen 98 Prozent der gesamten Gletscherfläche weltweit und kommt am Montag im Fachblatt "Nature Geoscience" zum Schluss, dass die Wassermassen, die in den Gletschern gespeichert sind, um etwa 20 Prozent geringer sind als bisher angenommen. So haben die Forschenden ermittelt, dass es im Himalaja 37 Prozent mehr Eis in den Gletschern gibt als bisher angenommen, in den den Anden hingegen 27 Prozent weniger. Insgesamt könnte die Wassermenge in den Gletschern den Meeresspiegel um 257 Millimeter ansteigen lassen, so deren gesamtes Eis abschmelzen sollte.

Das hat erhebliche Konsequenzen für die Wasserversorgung der Menschen in diesen Regionen. Die Himalaja-Gletscher zum Beispiel versorgen die sieben größten Flüsse Asiens und damit hunderte Millionen Menschen mit Wasser. Auch im Westen der USA und Kanadas und in weiten Teilen Südamerikas sind viele Millionen Menschen abhängig von den Gebirgsgletschern. Sollten diese dauerhaft abschmelzen, wäre die Wasserversorgung in diesen Regionen gefährdet.

Mehr Eis in Eisschilden

Ein Gutteil der Differenz zwischen den bisherigen Annahmen und den neuen Schätzungen kommt freilich dadurch zustande, dass bisherige Gletscher auf Grönland und der Antarktis in der neuen Studie den dortigen Eisschilden zugeschlagen werden. Und diese Eisschilde enthalten mehr als das 100-Fache der Eismenge aller Gletscher zusammen. (tasch, 8.2.2022)