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Rund 1.000 Lkws blockieren die schneebedeckten Straßen von Ottawas Innenstadt. Ihr Hupen raubt vielen den Schlaf.

Foto: Getty / Cole Burston

Seit elf Tagen schon ist Kanadas sonst so beschauliche Hauptstadt Ottawa Schauplatz wütender Proteste gegen die Corona-Politik von Premierminister Justin Trudeau. Die Regierung zeigt sich ebenso lang ratlos, wie sie auf die "Freedom Convoy"-Demonstrationen reagieren soll, die das öffentliche Leben in Ottawa zunehmend lahmlegen. Von einer "Okkupation" der Hauptstadt sprach am Sonntag gar der Regierungschef der Provinz Ontario, in der Ottawa liegt. Dessen Polizeichef Peter Sloly machte seinem Ärger am Sonntag Luft: "Die Bewohnerinnen und Bewohner sind frustriert und wütend, und sie haben jedes Recht dazu", sagte er in einer Pressekonferenz.

Nun sollen hunderte zusätzliche Polizeikräfte in das Regierungsviertel Centretown entsandt werden, wo bei Temperaturen um die minus zehn Grad mehrere hundert Trucker aus dem ganzen Land lautstark – aber meist friedlich – gegen die seit Jänner geltende Impfpflicht für ihren Berufsstand und die Covid-Maßnahmen im Allgemeinen protestieren.

Polizeichef Sloly, der so wie auch die Regierung seit Beginn der Proteste wegen der zögerlichen Haltung der Behörden in der Kritik steht, will nun Härte demonstrieren: "Die Rechtlosigkeit muss aufhören, unser Ziel ist, die Demonstrationen zu beenden."

"Ernste Bedrohung"

Auch bei den zuständigen Politikern liegen die Nerven zunehmend blank. Bürgermeister Jim Watson verhängte den Ausnahmezustand über die Hauptstadt, deren Zentrum rund um die Wellington Street und den Parliament Hill seit Tagen durch mehr als 1.000 Lastwägen blockiert ist. Diese Maßnahme sei wegen der "ernsten Gefahr und Bedrohung der Sicherheit der Anwohner" notwendig, erklärte der liberale Politiker am Sonntag. Die Stadt brauche mehr Unterstützung von anderen Kommunen und von der Regierung.

Am Sonntag hatte die Polizei die Demonstrierenden erneut – und abermals erfolglos – dazu aufgerufen, die Innenstadt zu verlassen. Seit Samstag hätten die Beamten mehr als 450 Strafzettel verteilt, hieß es, die meisten wegen des permanenten Hupkonzerts, das den Anwohnerinnen und Anwohnern den Schlaf raubt. In mindestens vier Fällen wird wegen sogenannter Hassverbrechen ermittelt. Einzelne Demonstrierende hatten, wie auf Bildern zu sehen ist, Hakenkreuz-Fahnen geschwenkt. Ein Gericht in Ottawa wollte zudem am Montag ein Verfahren über eine Sammelklage eröffnen, das dem Dauerhupen Herr werden soll.

Suppe und mobile Saunen

Zuvor hatten Polizistinnen und Polizisten damit begonnen, 3.000 Liter Treibstoff in einem zum Basislager des "Freedom Convoy" umfunktionierten Baseballstadion am Stadtrand Ottawas zu konfiszieren. Wer mit Kanistern voller Benzin in der Nähe angetroffen wird, riskiere eine Festnahme, erklärte ein Polizeisprecher. Die Protestierenden haben dort eine umfangreiche Infrastruktur installiert, neben Suppenküchen und Kinderspielplätzen verfügt man auch über mobile Saunen.

Die Frage, wie sich die ursprünglich an der kanadischen Westküste formierte Truckerbewegung dies alles leisten kann, beschäftigt nun auch die benachbarten USA. Hinweise, dass zu diesem Zweck mehrere Millionen US-Dollar über die Grenze flossen, mehren sich, nachdem hochrangige republikanische Politiker zur Solidarität mit den kanadischen Fernfahrerinnen und Fernfahrern aufgerufen hatten.

Ex-Präsident Donald Trump etwa applaudierte den "Freedom Truckers" und nannte sein ehemaliges kanadisches Gegenüber Justin Trudeau einen "linken Irren", der "Kanada zerstört hat". Floridas Gouverneur Ron DeSantis protestierte gegen die Pläne eines Crowfunding-Unternehmens, keine Spenden mehr für die Demonstranten in Ottawa anzunehmen.

Bruce Heyman, ein früherer US-Botschafter in Kanada, hingegen twitterte, die Einmischung aus dem Nachbarland müsse sofort aufhören: "Trump und seine Fans sind nicht nur für die USA eine Gefahr, sondern für alle Demokratien." (Florian Niederndorfer, 7.2.2022)