"Seitdem ich hier bin, friere ich", klagt Ahmed S. vor seiner Handykamera. Seine Frage nach einer zusätzlichen Decke soll zurückgewiesen worden sein. Zur Demonstration hält der junge Mann seine einzige Bettdecke in die Kamera. Einen Überzug dafür habe er erst gar nicht erhalten.

Das Bild wackelt, die Videotour durch die Klagenfurter Siriushalle geht weiter. Runter vom Stockbett, von dem aus man die gesamte Halle überblicken kann, raus aus der "Privatkoje". Vorbei an mit Vlies bedeckten Baustellengittern, die als provisorische Raumtrennung fungieren. Die Privatsphäre ist enden wollend: Nachts sei es schwierig, zu genügend Schlaf zu kommen, man höre alles und jeden in der Halle, beschreibt S. seinen Alltag.

In der Siriushalle in Klagenfurt leben Asylsuchende. Der Boden ist nackter Beton, die Zimmerwände sind Baugitter.
Foto: Christof Mackinger

Eigentlich sollten die Flüchtlinge nur wenige Tage in der Klagenfurter Siriushalle untergebracht sein, bevor sie in Unterkünfte der Bundesländer überstellt werden. Sie kommen aus Afghanistan oder Syrien, viele sind erst wenige Wochen in Österreich. In Klagenfurt sollen sie die Tage überbrücken, bis sie im Asylverfahren zugelassen werden. S. fühlt sich wie abgestellt. "Wie Pferde im Stall", so seine Assoziation. Wie lange, weiß keiner der hier Untergebrachten. Einer der "Zimmer"-Kollegen von S. berichtet, er warte schon über drei Wochen darauf, die Halle hinter sich lassen zu können.

Notquartier Lagerhalle

Seit Mitte Jänner werden in der Siriushalle in Klagenfurt wieder Geflüchtete untergebracht. Wieder, weil die Lagerhalle schon im Jahr 2015 als Notquartier für Flüchtlinge fungierte. Sie befindet sich im Eigentum der staatlichen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU). An die BBU lagert das Innenministerium die Betreuung von Asylsuchenden, deren Rechtsberatung und vorübergehende Grundversorgung in ganz Österreich seit 2019 aus. Von Ausnahmen abgesehen werden Flüchtlinge nach einem kurzen Aufnahmeprozedere in die Grundversorgung der Länder übernommen. Letztere verpflichteten sich dazu, eine gewisse Quote an Plätzen für Asylsuchende zu erfüllen.

Da die Zahl der Neuankömmlinge in Österreich wieder steigt, ließ die BBU die Halle für maximal 450 Personen öffnen. Dass die Unterbringung von Asylsuchenden der Kärntner FPÖ nicht gefällt, ist wenig überraschend. Auch SPÖ-Landesrätin Sara Schaar und Christian Scheider, der Klagenfurter Bürgermeister (Team Kärnten), richteten schon vor Wochen ihre Kritik an das Innenministerium: "Man wird vor vollendete Tatsachen gestellt!", wurde die Landesrätin für Integration in Lokalmedien zitiert. Der Bund bringe Menschen unter, ohne dabei das Land um Zustimmung zu fragen.

Die Temperatur im Speiseraum beträgt lediglich 18 Grad Celsius.
Foto: Christof Mackinger

Heute gibt sich Schaar auf Anfrage schmallippiger und verweist lediglich darauf, "weder Einfluss auf die Zahl der Asylwerbenden noch auf den Ort der Unterbringung" zu haben. Das Land Kärnten übererfülle die im Bund vereinbarte Aufnahmequote von Asylwerber:innen der Länder derzeit sogar. "Frei werdende Kapazitäten werden laufend nachbesetzt", so Schaar.

Der Sprecher der BBU, Thomas Fussenegger, sieht in den Beschwerden der Geflüchteten hingegen nur eine "Kampagne der unwahren Behauptungen" gegen die Benutzung der BBU-Halle. Die Temperatur sei "hoch genug, dass niemand frieren muss", und eine Versorgung mit Decken sei "selbstverständlich sichergestellt", so Fussenegger. Er gesteht zwar ein, dass "die Unterbringung von Menschen in einer Halle natürlich nicht erstrebenswert ist". Einschränkungen "in Bezug auf die Privatsphäre oder den Komfort" sehe auch er. Warum man es dennoch macht, erklärt Fussenegger nicht. Bei der BBU sei man aber bemüht, Unterkünfte Corona-bedingt nur halb zu belegen. Dies zumindest ist in Klagenfurt der Fall.

Die Handytour durch die Siriushalle geht indes vorbei an einer Gruppe von zehn Männern, die anstehen, um Wäsche zu waschen. An der Wand ist ein Heizgebläse zu sehen. Der Boden: nackter Beton.

Beheizt wird die Halle zum Beispiel durch dieses Gebläse.
Foto: Christof Mackinger

Warum die BBU Menschen in Lagerhallen unterbringen muss, weiß Lukas Gahleitner-Gertz von der NGO Asylkoordination Österreich. Die Unterbringung Asylsuchender wird pro Kopf und Tag abgerechnet. Aufgrund der niedrigeren finanziellen Abgeltung von Plätzen in der Landesgrundversorgung würden viele Bundesländer die Übernahme der Schutzsuchenden aus Kostengründen verzögern, so Gahleitner-Gertz. Es würde sich ein Rückstau bilden, mehr Geflüchtete würden länger in der Bundesversorgung bleiben als nötig. Indes kommen weitere Antragstellende in Österreich an, die BBU muss weitere Unterbringungsmöglichkeiten bereitstellen.

21 Euro pro Kopf und Tag

"Die weiteren Lager sind aber aufgrund des auch vom Rechnungshof festgestellten Missmanagements des Innenministeriums oft in einem desolaten Zustand. Leidtragende sind die betroffenen Antragstellenden," erklärt der Jurist. Er spricht von "bei weitem nicht kostendeckenden Tagsätzen" für die Bundesländer und findet eine Anhebung der Zahlungen "unausweichlich". Tatsächlich liegt das Entgelt bei 21 Euro pro Kopf und Tag. Das Problem sei hausgemacht, so Gahleitner-Gertz: "Vom Innenministerium wurden schlechte Quartiere zu überteuerten Konditionen auf lange Zeit gemietet und gepachtet." Die BBU müsse nun damit zurechtkommen. Als Ursprung des Problems sehe er den nach wie vor bestehenden großen Einfluss des Innenministeriums auf die Arbeit der BBU.

Über den Hof zu den Toiletten

"Sehr schlecht" findet auch Habib A. die Unterbringung in Klagenfurt. Der junge Syrer war für zehn Tage in der Siriushalle untergebracht. Mittlerweile konnte er aber in eine Unterkunft eines benachbarten Bundeslandes übersiedeln. Auch A. klagt über zu niedrige Temperaturen in der ehemaligen Flohmarkthalle. "Die Toiletten sind in Ordnung", um aber zu ihnen zu gelangen, müsse man über den Hof in ein Nachbargebäude gehen. "Für Kranke war es immer eine Qual, nachts im Regen aufs Klo zu gehen", erzählt A. Er zeigt sich sichtlich glücklich darüber, die Siriushalle hinter sich gelassen zu haben. (Christof Mackinger, 8.2.2022)